Die Serie „Little America“ bei Apple TV+ erzählt lauter interessante Einwanderergeschichten, basierend auf realen Biografien. Weder der Migrantenhasser Donald Trump noch die üblichen USA-Verächter werden daran ihre Freude haben.

Stuttgart - Den beiden weißen Veteranen im Westernladen juckt plötzlich der Skalp: Was will der dunkelhäutige Mann, der hörbar nicht aus den USA stammt, in ihrem kleinen Laden? Vor den Regalen mit den reich ziselierten, zumindest auf dem Innenstadtparkplatz vor Klapperschlangen schützenden Cowboystiefeln und den als Futtereimer fürs Pferd und als Duschwasserspender für den Reiter nutzbaren Hüten? Will er sich etwa über sie und ihre Mode gewordenen Mythen lustig machen?

 

Doch ihr neuer Kunde Iwegbuna Ikeji ist ein echter Fan ihrer Kultur. Als Kind in Nigeria hat er sich im Kino am liebsten Western angeschaut. Nun, als Student der Wirtschaftswissenschaften in den USA, entdeckt er zweierlei: erstens, dass er, der vom Leistungswillen des Migranten ohne Sicherheitsnetz Geprägte, von vielen seiner Kommilitonen als anders wahrgenommen wird, als Fremder – und zweitens, dass er, der Zugereiste, inniger verliebt ist in amerikanische Folklore als mancher Einheimische. Und so besorgt sich der vom in Nigeria geborenen Entertainer Conphidance alias Uchenna Echeazu („American Gods“, „Atlanta“) gespielte Bücherwurm endlich Stiefel und Stetson. Und gleich geht er ganz anders durch die Straßen, nein, durchs Leben.

Die Keksträume der Hoffnungsvollen

Iwegbuna Ikeji ist der oft rührende, manchmal ulkige, nie mit Herablassung geschilderte Held der dritten Episode der neuen Serie „Little America“ beim Streamingdienst Apple TV+. Alle acht rund halbstündigen, auf realen Schicksalen basierenden Folgen erzählen Einwanderergeschichten, meist ganz zuversichtliche voller Durchbeißerwillen und Entbehrungsbereitschaft. Da ist etwa die Studentin aus Uganda, nun alleinerziehende Mutter, die als Kellnerin jobbt, dann aber mit einer eigenen Keksbäckerei Erfolg hat; und da ist die Tochter illegaler Einwanderer aus Mexiko, die dank ihres Geschicks und Kampfgeists beim Squash doch noch die Einbürgerung erhält.

Leicht könnte das eine unangenehm selbstgefällige Serie werden, die den Vereinigten Staaten bescheinigt, nach wie vor das Licht der Welt zu sein. Aber das Produzententeam, das schon für „The Big Sick“ verantwortlich war, legt eher eine Hymne auf Amerika als unfertiges Werk im ständigen Entwickeltwerden vor, ein Bekenntnis dazu, dass die USA von Beginn an und noch heute nicht von den Alteingesessenen definiert werden, sondern von Neuankömmlingen und Hoffnungsvollen aus allen Winkeln der Erde. Gerade wer noch kein Vollbürger ist, ist im Herzen vielleicht der bessere Amerikaner als die Kinder des Landes.

Ein harter Brocken Fels

„Little America“ wahrt immer die private Perspektive, wird nie schrill propagandistisch oder trocken lehrstückhaft. Trotzdem liefert die Serie Folge um Folge eine Kampfansage an Donald Trumps Abschottungspolitik und den brodelnden Chauvinismus bei dessen Anhängern. Dabei könnte das Ganze leicht zu Kitsch werden: die Figuren zu niedlich, die glücklichen Fügungen zu zahlreich, die Probleme zu weich.

Aber diese Einwanderergeschichten zeigen auch sehr schön, dass aufmunterndes Fernsehen nicht als klebrige Pampe enden muss. Hier bleibt immer auch die Härte des neuen Landes spürbar, wie in der Episode um den iranischen Familienvater, der ein Haus bauen will, sich aber nur ein mieses Grundstück leisten kann, eines, das von einem Felsen eingenommen wird. Den versucht er nun, klar chancenlos, abzutragen. Aber, sagt er sich, und diese Moral ist typisch für den Grundton aller Episoden: Er ist schließlich nicht in die USA gekommen, um aufzugeben.

Verfügbarkeit: beim Streamingdienst Apple TV+, alle acht Folgen bereits abrufbar