Die 3. Staffel der Serie „The Crown“ glänzt bei Netflix wieder durch Realismus, gepaart mit erzählerischer Brillanz – diesmal auch dank des deutschen Regisseurs Christian Schwochow.

Stuttgart - Geschichte, zeigt ein Blick in die Runde, wiederholt sich doch. Westlich des Atlantiks herrscht ein Chauvinist, östlich der Oder ersteht aus Rechtsstaatsruinen ein neuer Faschismus, jenseits des Ärmelkanals macht der Brexit Arglist, Hass und Lüge zum Wesenskern der Politik. „Das Ausmaß boshafter Schlammschlachten“, vergleicht der Regisseur Christian Schwochow die frühen Sechziger mit der Gegenwart, „ist damals wie heute sehr realistisch“.

 

Obwohl er erst zehn Jahre später auf Rügen zur Welt kam, muss Schwochow es wissen. Immerhin durfte er zwei Episoden einer Serienlegende beisteuern, die vom Leben einer Regentschaftslegende erzählen: Elizabeth II. Mit der Queen als Zentralgestirn häuft die Netflix-ProduktionThe Crownseit 2016 Preise an wie Englands Königin Dienstjahre.

Das wird sich kaum ändern, wenn die dritte Staffel mit deutscher Hilfe eine Ära zeigt, in der Großbritannien von Katastrophen, Krisen, Intrigen und handfesten Verschwörungen erschüttert wurde. Laut Schwochow erfüllt dies die nobelste Aufgabe des zeitgeschichtlichen Fernsehens: im Gestern so vom Heute zu erzählen, dass es Schlüsse fürs Morgen ermöglicht.

Komplott gegen den Premierminister

In der fünften und sechsten der zehn neuen Folgen geht es um ein Komplott, mit dem der Generalstabschef Louis Mountbatten auf Initiative reaktionärer Kräfte aus Wirtschaft, Medien, Aristokratie, Militär und Tories einst tatsächlich den neuen Labour-Premier Wilson stürzen wollte. Wie Schwochow diesen Aufstand von oben inszeniert, wie er distinguierten Standesdünkel mit trotziger Kontrollsucht kollidieren lässt und dabei zeigt, was Macht aus jenen Menschen macht, die davon nie genug kriegen können, das ist reale Fiktion mit feinster Klinge. Richtig genial wird „The Crown“ aber, wenn sie die Weltgeschichte nach Peter Morgans Drehbüchern quasi im Wohnzimmer tranchiert.

Dafür gibt der Showrunner den Regisseuren Duelle zur Hand, mit denen sie das große Ganze kurz vor 1968 virtuos aufs große Kleine runter brechen: Die Queen im Zweikampf mit dem eigenen Regierungschef und mit ihrer eigenen Schwester, die Queen im Zweikampf mit einem Spion im eigenen Palast oder dem Prinz im eigenen Gemach. Jede dieser Hassliebesbeziehungen symbolisiert ein zwangsneurotisches Wertesystem auf Abruf, das mit einer starken, souveränen, sachlichen, habituell männlichen Frau an der Spitze des sonstigen Patriarchats partout nicht umzugehen weiß.

Royale Lücken füllen

Das Bemerkenswerteste: die Darsteller aus den ersten 20 Handlungsjahren wurden nicht nur altersgemäß umbesetzt, sondern veredelt. Mit ihrer resoluten Noblesse ist Olivia Colman als Queen noch mehr als ihre Vorgängerin Claire Foy die perfekte Gefangene ihrer eigenen Privilegien, Tobias Menzies noch mehr als sein Vorgänger Matt Smith der ideale Prinz Philipp. Von Helena Bonham Carter ganz zu schweigen, die Elizabeths Schwester mehr noch als Vanessa Kirby mit Flamboyanz versieht. Das macht Margrets verzweifeltes Ringen um Anerkennung zum emotionalen Mittelpunkt einer Fortsetzung, die dabei nie auf das deutsche Stilmittel der Effekthascherei setzt.

Im britischen Produktionsprozess sorgt jedes Gewerk bis hin zum Soundtrack von Rupert Gregson-Williams dafür, dass Ereignislosigkeit auch ereignislos klingt und dennoch mitreißt. Das Erfolgsgeheimnis bleibt abgesehen vom Drehbuch die historische Präzision. „Natürlich sind, gerade was die Privatsphäre der Queen betrifft, oft Lücken mit Interpretation zu füllen“, räumt Christian Schwochow ein. Aber je akribischer die Vorbereitung sei, „desto freier kannst du erzählen“. Der deutsche Regisseur am englischen Set wählt dafür ein wenig aristokratisches Wort: Qualitätswahnsinn. Er macht auch die dritte Staffel von „The Crown“ zum hellsten Stern am Serienhimmel.

Verfügbarkeit: Beim Streamingdienst Netflix, bislang drei Staffeln