Sehr viel Pfiffigeres als „The marvelous Mrs. Maisel“ auf Amazon Prime hat die Streamingwelt derzeit gar nicht zu bieten. Ihre Schöpferin Amy Sherman-Palladino erzählt im Interview, dass alles eigentlich ganz planlos begann.

Stuttgart - Sehr viel Pfiffigeres als „The marvelous Mrs. Maisel“ auf Amazon Prime hat die Streamingwelt derzeit gar nicht zu bieten. Ihre Schöpferin Amy Sherman-Palladino erzählt, dass alles eigentlich ganz planlos begann. Nun, ab 26. Januar, ist auch die deutsche Synchronisation der bislang nur im O-Ton vorliegenden Serie abrufba

 
Mrs. Sherman-Palladino, wie kommt man darauf, eine Serie über eine jüdische Hausfrau drehen zu wollen, die in den 1950er Jahren zur Stand-up-Komikerin wird?
Mein Vater war Stand-up-Komiker, deswegen bin ich sozusagen am Rande dieser Welt aufgewachsen. Sein halber Freundeskreis bestand aus Komikern und für mich war es Alltag, dass irgendwelche Leute im Garten saßen und über Clubs im Greenwich Village oder Kollegen wie Shecky Green sprachen. Im Wohnzimmer liefen statt Musik meistens Aufnahmen von Mel Brooks oder Carl Reiner. Das hat sich bei mir festgesetzt. Wobei die Serie selbst dann, wie das meiste in meiner Karriere, relativ zufällig und planlos ihren Anfang fand. Ich hatte ein Meeting bei Amazon und auf die Frage, was ich gerne machen würde, erwähnte ich die Idee mit der Hausfrau im Caféhaus in Greenwich Village. Erst als es hieß: „klar, mach das“, fing ich mir an echte Gedanken darüber zu machen, denn damit hatte ich nicht gerechnet.
Das war also keine Geschichte, die seit Ihrer Jugend in der Schublade lag?
Nein, viel mehr eine Art spontaner Geistesblitz, der mich begeisterte und den ich dann nicht mehr losgelassen habe. Die meisten meiner erfolgreichsten Ideen sind so entstanden, auch die „Gilmore Girls“. Das Problem mit der Schublade ist, dass ich die eigentlich nie aufmache. Was da einmal drin liegt, wird von mir meistens vergessen und dann irgendwann aussortiert.
Hätten Sie nicht auch Ihren Vater als Protagonisten wählen können?
Klar, aber warum sollte ich? So spannend war sein Leben dann auch wieder nicht, und außerdem gibt es doch schon genug Geschichten über männliche Komiker. Ich hatte Lust, von einer Frau zu erzählen. Und zwar von einer, die das Gegenteil dessen ist, was uns sonst meist präsentiert wird, wenn es um Hausfrauen in den Fünfzigern geht. Also kein unterdrücktes, domestiziertes Weibchen, dass für die perfekte Oberfläche sorgt und darunter langsam abstirbt. Sondern eine wirklich glückliche Person, die alles hat, was sie sich wünscht und ihr Leben fabelhaft findet. Bis ihr eben der Boden unter den Füßen weggezogen wird – und sie als Konsequenz eine ganz neue Seite an sich entdeckt.
Man könnte an Komikerinnen wie Joan Rivers denken, die zu einer ähnlichen Zeit ihre Karriere begann...
„The Marvelous Mrs. Maisel“ soll weder die Geschichte einer berühmten Komikerin nacherzählen noch ging es mir um ein Porträt der Stand-up-Szene jener Zeit. Es war schon ganz konkret meine eigene Schöpfung, meine Midge Maisel, von der ich erzählen wollte. Wobei ich nicht leugnen kann, dass Joan Rivers jemand ist, der großen Einfluss auf mich hatte, ganz allgemein im Leben. Die Frau war ein Genie und ich bin immer noch nicht ganz darüber hinweg, dass sie nicht mehr unter uns ist. Ich bin sicher, sie hätte ein paar nette Sachen zu sagen über die Welt, in der wir gerade leben.
Spannend an der Serie ist auch, wie dezidiert jüdisch die gezeigte Welt ist. Was interessierte Sie daran so sehr?
Für mich sind Comedy und Judentum einfach untrennbar miteinander verbunden. Fast alle Komiker, mit denen ich aufgewachsen bin, waren jüdisch. Dieser Rhythmus, mit dem auf der Stand-up-Bühne die Pointen landen, ist sehr New Yorker – und sehr jüdisch. Zumindest der, den ich im Ohr habe. Natürlich will ich nicht soweit gehen und behaupten, dass wir Juden die Comedy erfunden haben. Aber es ist eben schon sehr unser Ding: von unserem Leiden erzählen und berichten, wie furchtbar unser Leben ist, und dann kommt ganz beiläufig ein Gag.
Berühmt wurden Sie mit dem Erfolg der „Gilmore Girls“, doch es gab in Ihrer Karriere auch schon Flops, etwa die Serie „The Return of Jezebel James“ mit Parker Posey, die nach drei Folgen abgesetzt wurde. Wie geht man mit so etwas um?
Puh, gute Frage. Mein Mann und ich haben vor langer Zeit beschlossen, dass wir nur noch Sachen machen, die aus vollstem Herzen lieben. Das ist leichter gesagt als getan, denn es kann verführerisch sein, auf die sichere Bank und den kleinsten gemeinsamen Nenner zu setzen. Dann kann man sich sicher sein, dass man eine ganze Weile auf dem Sender bleibt, doch letztlich sind das seelenlose, unbefriedigende Jobs, die man nur des Geldes wegen macht. Unsere Herangehensweise macht die Arbeit umso vieles erfüllender, aber das Scheitern natürlich auch sehr viel herzzerreißender. Dass unsere Serie „Bunheads“ 2013 nach der ersten Staffel nicht fortgesetzt wurde, habe ich bis heute nicht vollkommen überwunden. Aber ich muss es natürlich. So läuft das Fernsehgeschäft, und wer das nicht abkann, hat in dieser Branche nichts verloren.
Haben Sie je darüber nachgedacht, auch fürs Kino zu arbeiten?
Ich weiß nicht, ob es Ihnen schon mal zu Ohren kam, aber es ist heutzutage verdammt hart, einen Kinofilm auf die Beine zu stellen. Und als Frau ist es doppelt hart. Wir haben immer mal wieder Ideen gehabt und uns auch schon engagieren lassen, um Drehbücher umzuschreiben. Aber noch viel mehr als zu Beginn unserer Karriere sind es heutzutage eben Serien und nicht Filme, wo man sich als Geschichtenerzähler richtig ausleben kann. Im Kino hat niemand Interesse an interessanten Figuren und komplizierten Frauen. Da sucht man Superhelden, keine Mrs. Maisel.
Weil Sie gerade betonen, dass Filmemachen für Frauen doppelt schwierig ist: gilt das für Fernsehen nicht?
Alles ist als Frau schwieriger, so funktioniert unsere Welt eben bislang. Und auch beim Fernsehen kann natürlich nicht von 50/50, von völliger Gleichberechtigung die Rede sein. Aber wenn ich mir Kolleginnen wie Diane English oder Shonda Rhimes anschaue, dann habe ich schon den Eindruck, dass wir hier viel früher viel mehr Chancen bekommen haben. Beim Kino scheint man noch viel mehr in Klischeevorstellungen verfangen sein. Da denken einige immer noch, Frauen könnten nur Geschichten mit vielen Blumen, kleinen Hunden und am besten einem Pferd drin erzählen. Es kotzt mich an, dass man uns keine Action und nichts mit echtem Wumms zutraut. Aber ich hoffe, dass der Erfolg von „Wonder Woman“ vielleicht zu einem Umdenken führen wird. Denn auf lange Sicht werden wir uns auch dort durchsetzen.
Eine letzte Frage noch in Sachen „Gilmore Girls“, denn die neuen Folgen auf Netflix waren ein voller Erfolg. Bedeutet die Zusammenarbeit mit Amazon bei „The Marvelous Mrs. Maisel“, dass eine weitere Fortsetzung ausgeschlossen ist?
Keine Sorge, wir haben für Klauseln in unseren Verträgen gesorgt, die das durchaus noch möglich machen. Konkrete Pläne gibt es allerdings im Moment nicht. Wobei das nichts heißen muss, denn die hatten wir auch für „Ein neues Jahr“ nicht, bis plötzlich eine spontane Eingebung kam und es dann ganz schnell ging. Also wer weiß, was passieren wird.