Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs: David E. Kelleys Miniserie „Big Little Lies“ verstrickt Reese Witherspoon, Nicole Kidman und Shailene Woodley in eine düsteres Familiendrama an der nordkalifornischen Küste.
Stuttgart - Die kleine Amabelle hat Würgemale am Hals. Und das am ersten Schultag. Die Lehrerin ist entsetzt, und vor allen Kindern und Eltern zwingt sie das Mädchen auf denjenigen zu deuten, der ihr das angetan hat. Zögerlich hebt Amabelle den Finger, zeigt schließlich auf einen Jungen namens Ziggy. Und eigentlich beginnt die Tragödie erst jetzt. Denn während die Grundschulkinder diese Sache bald wieder vergessen haben, gelingt ihnen Eltern das nicht. Die Geschichte wird böse enden.
Die Miniserie „Big Little Lies“ beruht auf Liane Moriartys Bestseller „Tausend kleine Lügen“, verlegt die Handlung zwar von Australien nach Kalifornien ins idyllischen Küstenstädtchen Monterey, bleibt aber der spannenden Story treu, deutet immer wieder raffiniert die bevorstehende Tragödie an und rückt drei großartige Schauspielerinnen in den Mittelpunkt dieses mysteriösen, feinsinnig erzählten und stilsicher inszenierten Dramas.
Reese Witherspoon ist Madeleine, die sich mit so einem Übereiferin ihrer Rolle als Mutter und Hausfrau gestürzt hat, dass sie manchmal gar nicht mehr merkt, dass sie alle um sich herum tyrannisiert. Nicole Kidman ist Celeste, die sich in ihrem perfekten Leben als Hausfrau und Mutter von perfekten Zwillingen zu Tod langweilt, ihrer Karriere als Anwältin hinterher trauert und nur im anfallartigen Sex mit ihrem zu Gewalttätigkeiten neigenden Ehemann Perry (Alexander Skarsgård) noch irgendwie merkt, am Leben zu sein. Und Shailene Woodley ist die geheimnisvolle Jane, die irgendwie so gar nicht in diesen auf Hippness getrimmten Kleinstadtkomos zwischen Yogastudios und Biorestaurants passen will. Nicht weil sie als Gepäck einige Geheimnisse mit sich herumschleppt – das tun hier eigentlich alle. Sondern weil sie die einzige ohne Haus mit Pool und Meerblick – und ohne Mann ist.
Vom Macher von „Ally McBeal“ und „Boston Legal“
David E. Kelley, der bisher vor allem für seine lakonisch-originellen Anwaltsserien („Ally McBeal“, „Boston Legal“) bekannt war, zuletzt aber bereits in „Goliath“ einen dunkleren dramatischen Ton gewählt hat, versucht sich jetzt also sieben Episoden lang an einem Kleinstadt-Familien-Drama, einer Schuld-und-Sühne-Seifenoper. „Wir haben nicht vor, damit eine Neuauflage von ‚Desperate Housewives‘ zu liefern“, hat ein HBO-Geschäftsführer zwar behauptet. Aber letztlich ist „Big Little Lies“ genau das: die Geschichte verzweifelter Hausfrauen, in der die Konflikte mit einer fast schon unerträglichen Langsamkeit eskalieren.
Drehbuch, Schnitt und Kamera lassen sich viel Zeit, um die inneren und äußeren Konflikte sichtbar zu machen, um Rätsel aufzugeben und zu lösen, um scheinbar vom eigentlichen Konflikt ablenkende Seitenstränge und Nebenkriegsschauplätze zu erkunden. Ob es dabei nun um Madeleines Tochter geht, die lieber bei deren Ex-Mann wohnen will, um ein Puppentheaterstück, bei dem eine Sexszene simuliert wird, oder darum, dass in der Grundschule von Monterey die kleine Amabelle schon wieder von einem Mitschüler drangsaliert wurde.
„Big Little Lies“: ab 19. Februar zeitgleich zur US-Ausstrahlung auf Sky