Straßenverkehr, Kunstbetrieb, Hochschulsenate, Ingenieurwesen, Redaktionsstuben, Parteitagskulissen – man staunt, wo überall manche Männer auch im 21. Jahrhundert noch glauben, Angehörige des anderen Geschlechts hätten dort höchstens als Ziergegenstände oder Hilfskräfte etwas verloren, und das bei jeder Gelegenheit signalisieren. Andererseits die gar nicht wenigen Frauen, die sich das Ganze nicht nur gefallen lassen, sondern es zur natürlichen Ordnung der Dinge erklären („Männer sind halt so, sonst stirbt die Menschheit aus“) und den Tipp parat haben, man müsse eben „drüberstehen“.

 

Drüberstehen, das ist der schwache Trost derer, die sich gezwungen sehen mitzulachen, es wegzulächeln oder so zu tun, als hörten sie es nicht, wenn auf ihre Kosten, auf Kosten ihres Geschlechts herumgewitzelt wird, anstatt sich das zu verbitten. Frauen tun dies, weil sie keine hysterischen Ziegen sein wollen, keine Lila-Latzhosen-Emanzen und was sonst aus dem antifeministischen Verunglimpfungsarsenal sogleich herauspurzelt, als hätte es nur drauf gewartet, weil sie „Spaß verstehen“ und sich „nicht anstellen“ wollen. Weil sie weiter mit den Jungs spielen wollen. Nein, müssen.

Mehr weibliche Vorgesetzte – das würde etwas ändern

Denn bekanntlich ist die Arbeitswelt vor allem in Deutschland – Kanzlerin hin oder her – männlich dominiert, das Männliche gilt, woran die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken neulich im Fernsehinterview erinnerte, als der „neutrale“ Normal-, das Weibliche als der „markierte“ Sonderfall. Sie nennt das eine „deutsche Katastrophe“. So weit muss man nicht gehen. Aber dass eine deutlich höhere Anzahl weiblicher Vorgesetzter das sexistische Machtgefälle beeinflussen würde, ist keine sonderlich kühne Vermutung.

All das gilt nicht erst seit zwei Wochen. Aber etwas ist anders. Die Journalistin und Politologin Antje Schrupp hat in ihrem Blog antjeschrupp.com nachgewiesen, wie stark in der aktuellen Diskussion nicht nur hergebrachte Medien und das Internet aufeinander reagiert haben, sondern auch, wie „ganz normale Leute“ vernehmlich wurden, wie digitale und analoge Welt „Hand in Hand liefen“. Mehrere zehntausend Kurznachrichten auf Twitter waren mit dem „Hashtag“ (Schlagwort) #Aufschrei als Erkennungszeichen versehen: Auf Internetseiten von Zeitungen, auch auf der Homepage der Stuttgarter Zeitung, waren diese Tweets integriert, im Fernsehen wurden sie gezeigt und vorgelesen.

„Drüberstehen“ – ein schwacher Trost

Straßenverkehr, Kunstbetrieb, Hochschulsenate, Ingenieurwesen, Redaktionsstuben, Parteitagskulissen – man staunt, wo überall manche Männer auch im 21. Jahrhundert noch glauben, Angehörige des anderen Geschlechts hätten dort höchstens als Ziergegenstände oder Hilfskräfte etwas verloren, und das bei jeder Gelegenheit signalisieren. Andererseits die gar nicht wenigen Frauen, die sich das Ganze nicht nur gefallen lassen, sondern es zur natürlichen Ordnung der Dinge erklären („Männer sind halt so, sonst stirbt die Menschheit aus“) und den Tipp parat haben, man müsse eben „drüberstehen“.

Drüberstehen, das ist der schwache Trost derer, die sich gezwungen sehen mitzulachen, es wegzulächeln oder so zu tun, als hörten sie es nicht, wenn auf ihre Kosten, auf Kosten ihres Geschlechts herumgewitzelt wird, anstatt sich das zu verbitten. Frauen tun dies, weil sie keine hysterischen Ziegen sein wollen, keine Lila-Latzhosen-Emanzen und was sonst aus dem antifeministischen Verunglimpfungsarsenal sogleich herauspurzelt, als hätte es nur drauf gewartet, weil sie „Spaß verstehen“ und sich „nicht anstellen“ wollen. Weil sie weiter mit den Jungs spielen wollen. Nein, müssen.

Mehr weibliche Vorgesetzte – das würde etwas ändern

Denn bekanntlich ist die Arbeitswelt vor allem in Deutschland – Kanzlerin hin oder her – männlich dominiert, das Männliche gilt, woran die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken neulich im Fernsehinterview erinnerte, als der „neutrale“ Normal-, das Weibliche als der „markierte“ Sonderfall. Sie nennt das eine „deutsche Katastrophe“. So weit muss man nicht gehen. Aber dass eine deutlich höhere Anzahl weiblicher Vorgesetzter das sexistische Machtgefälle beeinflussen würde, ist keine sonderlich kühne Vermutung.

All das gilt nicht erst seit zwei Wochen. Aber etwas ist anders. Die Journalistin und Politologin Antje Schrupp hat in ihrem Blog antjeschrupp.com nachgewiesen, wie stark in der aktuellen Diskussion nicht nur hergebrachte Medien und das Internet aufeinander reagiert haben, sondern auch, wie „ganz normale Leute“ vernehmlich wurden, wie digitale und analoge Welt „Hand in Hand liefen“. Mehrere zehntausend Kurznachrichten auf Twitter waren mit dem „Hashtag“ (Schlagwort) #Aufschrei als Erkennungszeichen versehen: Auf Internetseiten von Zeitungen, auch auf der Homepage der Stuttgarter Zeitung, waren diese Tweets integriert, im Fernsehen wurden sie gezeigt und vorgelesen.

Es geht nicht um Flirtverbote, es geht um Respekt

Die Debatte ist also denkbar breit. Und sie widerlegt, was etwa alle zehn Jahre behauptet wird: dass „diese jungen Frauen“ vor lauter Karrieremachen oder vor lauter verwirklichter Gleichberechtigung kein Interesse mehr am Feminismus hätten. Die Blogeinträge, deren Links mittels dieses massenhaften Gezwitschers verbreitet werden, beweisen eindrucksvoll das Gegenteil. Und sie stammen, wie viele der Diskussionsbeiträge in Kommentar- und Meinungsspalten von Zeitungen, eben nicht von den Vertreterinnen der im Geschlechterkampf bereits ergrauten Generationen, sondern von den Jüngeren.

Unter denen, die sich im Netz äußern, sind, wie gesagt, mehr Männer, als vielleicht zu erwarten war. Vielleicht liegt es an dieser geschlechtsübergreifenden Beteiligung, vielleicht an der viel kritisierten Anonymität, vielleicht auch an anderen kommunikativen Gesetzmäßigkeiten des Internets, dass die Diskussion vom Austausch persönlicher Erfahrung lebt. Männer sprachen mit ihren Frauen, Töchter mit ihren Müttern über das, wofür #Aufschrei steht.

Kubicki spricht von „Gesinnungs-Taliban“

Freilich kursiert auch die Behauptung, Ziel der Diskussion sei die Errichtung einer Art feministischer Scharia durch „Gesinnungs-Taliban“, wie der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki es im Interview mit dem gedruckten „Spiegel“ genannt hat. Er hält solche Einlassungen vermutlich für liberal. Tatsächlich geht es nicht um puritanische Vorschriften für ordnungsgemäßes Aufzugfahren, um Regeln für politisch korrekte Bargespräche, die Abschaffung des Karnevals und Flirtverbote oder was der Tatarennachrichten aus der Ganze-Kerle-Ecke mehr sind. Aber ein Kompliment, das dem Gegenüber nicht freundliches Interesse vermittelt, sondern vor allem sagt, „ich trete dir jetzt zu nah, und du musst dir das gefallen lassen“, ist halt keines mehr, sondern Machtausübung.

Klar, Männer sollen sich auf Frauen einstellen, deren Geschlechterrolle sich in den letzten fünf, sechs Jahrzehnten rasend schnell gewandelt hat. Das ist anstrengend. Aber nicht unmöglich. Wer es für angebracht hält, der Kellnerin den Allerwertesten zu tätscheln, wer die Praktikantin mit augenzwinkernden Anzüglichkeiten bedenkt, wer meint, er habe das Recht, jemandem auf die Pelle zu rücken, nur weil er es kann, soll sich seine Tochter, Schwester oder Mutter in einer vergleichbaren Situation vorstellen. Wer Interesse daran zeigen möchte, wie Frauen männliches Verhalten so finden, könnte fragen, statt einen Spruch zu bringen. Und zuhören und nachdenken. Und darüber reden. – Es geht darum, wie wir zusammen leben und miteinander arbeiten wollen. Es geht um Respekt.