Selbstliebe liegt im Trend. Das haben in Stuttgart zwei Anbieter für Sexspielzeug erkannt, die den Kunden Hochwertiges bieten wollen. Doch von der Pandemie profitieren vor allem die Billig-Anbieter.

Sexspielzeug verkauft sich in Zeiten der Pandemie so gut wie noch nie. Das vermelden Branchen-Größen wie Eis.de, die ihre Bestellzahlen vor allem während der Lockdowns verdoppeln oder teilweise sogar verdreifachen konnten. Entspannung, sich selbst verwöhnen – das tut gut im momentan anstrengenden und manchmal deprimierenden Alltag. Doch die günstigen Produkte, mit denen so mancher Online-Anbieter der Branche wirbt, stammen meist aus China und sind auch in der Herstellung billig. In Stuttgart gibt es Anbieter, die dagegen auf Qualität setzen.

 

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Relativ neu in der Branche ist die Manufaktur Schönrein in den Stuttgarter Wagenhallen, wo Dildos, Anal-Plugs und Vaginismus-Sets aus veganem Silikon hergestellt werden. „Man könnte meinen, der Markt an Sexspielzeugen wäre schon übersättigt. Aber ich habe gemerkt, dass es einen Bedarf an hochwertigen und nachhaltigen Produkten gibt“, sagt Inhaber David Baur, der auf eine anspruchsvollere Kundschaft abzielt. „Sexspielzeug ist vergleichbar mit gutem Essen. Es sollte uns nicht egal sein, was wir in uns reinstecken“, findet Baur. Er ist zufrieden damit, wie seine kleine Manufaktur läuft, doch im großen Stil konnte er nicht von der Pandemie profitieren. „Das gilt wohl eher für die großen Online-Anbieter mit ihren Billig-Angeboten“, vermutet der 44-Jährige.

Schwierige Zeiten für stationären Handel

Auch beim großen Anbieter Orion, der neben der Filiale in Stuttgart noch mehr als 140 Sexshops in Deutschland betreibt, hält sich die Euphorie in Grenzen. „Unser stationärer Handel hat sehr gelitten“, sagt Pressesprecher Jens Seipp. Zwar gebe es einen Trend in Richtung Sextoys, doch den habe es bereits vor Corona gegeben.

Beim exquisiten Stuttgarter Erotikladen Frau Blum spricht Inhaberin Mascha Hülsewig von einer „eher schwierigen Zeit“. Die Boutique, die sie gemeinsam mit Alexandra Steinmann betreibt, lebt davon, dass die Kundinnen und Kunden individuell beraten werden. Das war während der Lockdowns nicht möglich. Auch viele Veranstaltungen, die vorher bei Frau Blum stattfanden, mussten abgesagt werden. Allein mit ihrem stationären Handel hätten sie die vergangenen zwei Jahre kaum überstehen können. „Wir haben vor einem Jahr unseren Online-Shop an den Start gebracht, um den Verlust zu kompensieren“, sagt Mascha Hülsewig.

Veranstaltungen – wie zum Beispiel die Vorträge über weibliche oder männliche Intimmassage – finden nun ebenfalls online statt und kommen bei den Kunden sehr gut an. „Dadurch hat sich unsere Bekanntheit und unsere Reichweite enorm vergrößert. Die Leute nehmen nun aus ganz Deutschland teil“, sagt Hülsewig. Letztlich habe sie viele Erkenntnisse dazugewonnen. „Wir werden die Online-Workshops fortsetzen“, ist sich Hülsewig sicher. Doch sie freue sich nun auch darauf, die Kunden zusätzlich wieder zu Präsenzveranstaltungen in dem schönen Ambiente ihres Ladens begrüßen zu dürfen.

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Nachhaltiges Familienunternehmen für Sexspielzeug

Das Ambiente des kleinen Ateliers von David Baur hat ebenfalls nichts zu tun mit dem Schmuddel-Image der gängigen Sexshops. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass es sich bei den künstlerisch anmutenden Produkten in Pastellfarben um Sexspielzeug handeln könnte. „Man kann sich einen Schönrein theoretisch auf den Kamin stellen, ohne dass es auffällt“, sagt Baur, der als Künstler auch einen ästhetischen Anspruch an seine Produkte stellt. Er erzählt, dass eine ältere Frau beim Tag der offenen Tür davon ausgegangen war, es mit hübschen Kerzen zu tun zu haben. „Das hat mich sofort auf die Idee gebracht, mit unseren Dildo-Gussformen auch Kerzen aus Bienenwachs herzustellen“, sagt Baur.

Mit in dem Unternehmen arbeiten seine Frau Nele Bonner, die ihn bei Verpackung und Marketing unterstützt, und sein Chef-Designer Tobias Karsten, mit dem er an den Produkten tüftelt. „Man kann wirklich sagen, dass wir ein nachhaltiges, kleines Familienunternehmen sind“, sagt Baur und wirkt dabei fast verlegen. „Das klingt nach Klischee, aber es ist einfach so.“ Er wirbt damit, dass seine Produkte vegan und schadstofffrei sind und aus zertifiziertem medizinischem Laborsilikon bestehen. Auch auf die Details legt er Wert. So werden die Baumwollsäckchen, in denen das Sexspielzeug geliefert wird, in einer Behindertenwerkstatt aus der Region gefertigt. „Bis wir mit Schönrein da waren, wo wir jetzt sind, hat es sechs Jahre gedauert“, sagt Baur.

Verkauft werden seine Produkte inzwischen europaweit. Großhändler in Österreich, Holland oder Belgien haben den Schönrein beispielsweise im Sortiment, aber auch kleine Läden in Leipzig, Bonn oder München. Auch Sonderanfertigungen sind möglich. Dabei reicht die Bandbreite von eigenen Körperteilen, die beispielsweise bei Junggesellen-Abschieden gegossen werden können, bis hin zu speziellem Sexspielzeug bei körperlichen Einschränkungen. Mehr verdienen könnte Baur sicherlich, wenn er seine Produkte beispielsweise über Amazon verkaufen würde. Doch da hat der Künstler seine Prinzipien: „Das würde für mich einfach nicht zu der Idee von einem möglichst nachhaltigen Sexspielzeug passen.“