Männer wollen immer nur das Eine, Frauen sind sensibler. So lauten gängige Vorstellungen. Alles falsch, sagen Tübinger Forscher. Die Geschlechter seien sich beim Sex viel ähnlicher als bisher angenommen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Tübingen - Männer sind harte Kerle, die den Frauen sagen, wo’s langgeht. Und sie denken immer nur an das Eine – Sex. Ist das so? Sind Männer wirklich schneller und leichter erregbar, während Frauen sexuell empfindsamer und komplexer sind? Womöglich alles nur Klischees.

 

Sexuelles Lustempfinden

Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen haben jetzt Daten aus 61 Studien weltweit mit insgesamt 1850 Probanden durchforstet und sind zu einem sehr überraschenden Ergebnis gekommen: Auf neurobiologischer Ebene – also anhand von Messungen der Gehirnaktivitäten – ist das sexuelle Lustempfinden der Geschlechter gleich.

Betrachtet man demnach die spontane, nicht kontrollierbare Reaktion des Gehirns von Frauen und Männern auf erotische Fotos und pornografische Filme, so findet man keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe des US-Fachmagazins „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschienen.

Gehirne von Männern und Frauen reagieren gleich auf Erotik

Die Studienteilnehmer betrachteten im Experiment erotisches Anschauungsmaterial, während die unmittelbare Reaktion des Gehirns mit der sogenannten funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) gemessen wurde. Mit dieser Methode kann man Gehirnaktivitäten messen, indem Veränderungen des Sauerstoffgehalts des Blutes im Gehirn erkannt werden.

Die Ergebnisse zeigen eindeutig: Es gibt keine Unterschiede in den Gehirnreaktionen auf visuelle sexuelle Reize bei Männern und Frauen. Allerdings sind die Aktivitätsmuster im Hirn sehr verschieden. Je nachdem, wie die Reize präsentiert wurden, fielen die Reaktionen unterschiedlich stark aus.

„Im Vergleich zu Filmen führt das Betrachten erotischer Bilder zu einer breiter gefächerten Erregung in mehreren Gehirnarealen gleichzeitig“, erklärt der Tübinger Forscher Hamid Noori.

Studie räumt mit gängigen Klischees auf

Auch die sexuelle Orientierung der Teilnehmer wirkt sich aus. Noori: „Heterosexuelle reagierten stärker auf die visuellen Reize als homosexuelle Probanden.“ Männer und Frauen würden dagegen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung gleichermaßen auf die erotischen Stimuli reagieren.

Die Studie wirft damit gängige Klischees über den Haufen, dass nämlich das männliche Gehirn sexorientierter sei als das von Frauen. Soziale Einflüsse wie Eltern, Schule, Freunde, der Staat und Rechtssysteme hätten, so die Wissenschaftler, dazu beigetragen, Frauen von ihren eigenen sexuellen Wünschen zu entfremden.

„In vielen Kulturen wird Sex immer noch tabuisiert“, resümieren die Tübinger Forscher. „Die Erkenntnis, dass wir uns in Sachen Erregung gleich verhalten, kann dazu beitragen, Klischees und Tabus abzubauen.“