Elisabeth Winkelmeier-Becker, Rechtspolitikerin der Unionsfraktion im Bundestag, dringt auf eine rasche und deutliche Verschärfung des Sexualstrafrechts. Der Grundsatz müsse sein: „Nein heißt Nein!“

Berlin – Der Fall der früheren „Germany’s Next Topmodel“-Kandidatin Gina-Lisa Lohfink hat die Debatte um das Sexualstrafrecht befeuert. Lohfink sagt, sie sei im Jahr 2012 von zwei Männern vergewaltigt und dabei gefilmt worden. Im Bundesjustizministerium gibt es konkrete Pläne für eine Verschärfung des Sexualrechts. Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, gehen sie nicht weit genug.

 
Frau Winkelmeier-Becker, Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts vorgelegt. Heute kann es nur dann zu einer Verurteilung wegen Vergewaltigung kommen, wenn das Opfer sich körperlich wehrt, geschlagen oder bedroht wird. Der Gesetzentwurf führt nun weitere Kriterien wie Drohung oder Überrumpelung ein. Warum reicht Ihnen der Entwurf noch nicht?
Wir brauchen hier einen Paradigmenwechsel nach dem Grundsatz „Nein heißt Nein“. Wir müssen davon wegkommen, dass das Opfer grundsätzlich Gegenwehr leisten muss, damit von einer Vergewaltigung gesprochen werden kann. Es muss reichen, dass das Opfer für den Täter erkennbar macht, dass es den Übergriff nicht will. Dabei reicht das klare verbale Stopp-Signal. Das ist in dem Entwurf noch nicht abgebildet. Zwei andere Punkte kommen hinzu: Wir müssen auch das sogenannte „Grapschen“, also das sexuelle Belästigen unterhalb der Schwelle explizit sexueller Handlungen, ahnden können. Und es soll auch künftig möglich sein, sexuelle Übergriffe, die aus einer Gruppe heraus begangen werden, unter Strafe zu stellen. Es soll sich strafbar machen, wer zur Bedrohungsdynamik aus der Gruppe heraus beiträgt.
Es gibt einen immer wiederkehrenden Einwand gegen das „Nein heißt Nein“. Das rein verbale Signal sei schwer vor Gericht nachzuweisen, also juristisch kaum praktikabel...
Der Sachverhalt ist vor Gericht immer schwer aufzuklären. Das stimmt, gilt aber auch schon für das geltende Recht. Aber der Gesetzgeber muss das ganz klare Signal senden, dass sexueller Kontakt gegen den Willen einer Person strafbares Unrecht darstellt. Dieser Grundsatz muss verankert werden. Das ist sehr wichtig. Zweitens gibt es im Moment klare Gesetzeslücken, die ausgefüllt werden müssen. Das zeigt auch der gerade sehr diskutierte Fall von Frau Lohfink, die – soweit mir bekannt ist – offensichtlich nicht mit den sexuellen Handlungen einverstanden war, und wo es zu keiner Verurteilung der Täter gekommen ist.
Mindestens über den Grundsatz „Nein heißt Nein“ gibt es ja auch einen Konsens der Rechts- und Frauenpolitiker von Union und SPD. Auch der Minister bekennt sich inzwischen dazu. Dennoch gibt es einen schwer verständlichen Streit zwischen Union und Justizminister. Heiko Maas wirft der Union Blockade vor.
Über diese Darstellung bin ich wirklich konsterniert. Ganz eindeutig ist der Vorwurf falsch, die Union bremse hier. Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt in der Union keinerlei Widerstand dagegen. Ganz offenbar ist das eine rhetorische Nebelkerze des Ministers. Er selbst war es doch, der zunächst überhaupt keinen Handlungsbedarf gesehen hatte. Dann hat er einen Entwurf vorgelegt, der im Prinzip noch an dem alten Konzept festhält. Es ist ihm nun offensichtlich unangenehm, nicht an der Spitze der Bewegung zu stehen, also versucht er den Spieß umzudrehen.
Wer übernimmt denn nun die Initiative?
Die Fraktionen der Koalition übernehmen nun die Initiative. Wir werden einen gemeinsamen Antrag vorlegen, der den Grundsatz des „Nein heißt Nein“ eindeutig festschreibt. Wir arbeiten zügig daran und tun alles dafür, den Prozess schnell abzuschließen. Wünschenswert ist es, noch vor der Sommerpause das neue Gesetz zu verabschieden. Aber hier arbeiten wir am Kern des Strafrechts, da ist Gründlichkeit das oberste Gebot. Da erwarten wir ausdrücklich handwerkliche Unterstützung durch das gesammelte Fachwissen des Justizministeriums, die bisher ausgeblieben ist. Da kann sich das Ministerium nicht zurücklehnen.
Minister Maas hat gerade noch ein anderes Themenfeld geöffnet: Er hat die deutschen Behörden aufgefordert, im Ausland geschlossene Mehrfach-Ehen nicht anzuerkennen. Was halten Sie davon?
Das ist sicher richtig. Man muss gründlich hinsehen, wo das überall relevant werden kann – neben dem Familien- und Erbrecht zum Beispiel auch im Sozialrecht, etwa beim Problem der Mitversicherung. In Deutschland muss grundsätzlich und einheitlich gelten, dass eine Ehe nur zwischen zwei Personen geschlossen werden kann.