Nach den Vorwürfen gegen den Inspekteur der Polizei hat das Innenministerium eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen. Das zeigte 2022 Wirkung. Doch ist es genug?

Entscheider/Institutionen: Annika Grah (ang)

Die Zahl der gemeldeten Verdachtsfälle sexueller Belästigung bei der Landespolizei hat sich zwischen 2019 und 2022 vervierfacht. Wurden 2019 nur sieben solcher Fälle gemeldet, waren es für das Jahr 2021 bereits 19 Fälle und 2022 – also nach Bekanntwerden der Vorwürfe rund um den Inspekteur der Polizei – 29 Fälle, wie das Innenministerium mitteilte. Im vergangenen Jahr wurden 13 Disziplinarverfahren eingeleiteten, in 20 Fällen gab es strafrechtliche Ermittlungen. In sechs Fällen handelt es sich den Angaben zufolge bei dem mutmaßlichen Täter um einen Vorgesetzten.

 

Innenministerium erklärt Anstieg mit mehr Maßnahmen

Der Anstieg erkläre sich auch durch die Maßnahmen, die nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den höchsten uniformierten Polizisten im Land ergriffen wurden, erklärte eine Sprecherin. So wurde zunächst eine Ad-hoc-Meldestelle eingerichtet. Darüber hinaus gibt es seit November 2021 in regelmäßigen Abständen anonymisierte Abfragen. Im März 2022 wurde zusätzlich ein Melderaster etabliert, nach dem sich Polizeidienststellen richten müssen. Jüngst wurde eine Dienstvereinbarung zu dem Thema verabschiedet. Außerdem soll die Stelle einer Vertrauensanwältin eingerichtet werden.

Die Bürgerbeauftragte des Landes, die bereits als unabhängige Ansprechpartnerin für Polizeibeamte fungiert, fürchtet, dass die Zahlen nur einen Ausschnitt zeigen. „Das Dunkelfeld ist viel, viel größer“, sagt Beate Böhlen. Sie sieht insbesondere auf der Führungsebene noch einen weiten Weg: „Ich sehe keine aufarbeitende Fehlerkultur in der Polizeiführung“, sagte Böhlen. Den Vorwurf hatten auch die Mitglieder des Untersuchungsausschusses im Landtag gemacht.