In vielen Konfliktgebieten Afrikas werden Frauen geschändet, um die Moral des Feindes zu zerstören. Eine Konferenz in London macht auf diese „billigste Form der Kriegsführung“ aufmerksam – und zeigt Gegenmaßnahmen auf.

Johannesburg - Denis Mukwege nennt es „genitalen Terrorismus“ und „die billigste Form der Kriegsführung“. Seine Heimat, die Demokratische Republik Kongo, gilt als weltweiter Brennpunkt von Vergewaltigungen: In dem seit zwei Jahrzehnten anhaltenden Konflikt im Osten des afrikanischen Riesenstaats sollen bereits eine halbe Million Kongolesinnen auf brutalste Weise misshandelt worden sein. „Oft werden die Frauen von mehreren Männern vergewaltigt, während ihre Nachbarn, ihre Ehemänner oder ihre Kinder zuschauen müssen“, berichtet der Frauenarzt: „Anschließend werden sie nicht selten noch verstümmelt oder auf andere Weise gefoltert.“ Solche Verbrechen würden ganz eindeutig nicht zur Befriedigung des Sexualtriebs begangen, fügt der Mukwege hinzu: „Man sucht auf diese Weise die Person, ihre Familie und ganze Gemeinschaften zu zerstören.“

 

Die Opfer werden zu Ausgestoßenen in ihrem Zuhause

Der 59-jährige Gynäkologe sucht die verstümmelten Opfer zumindest körperlich wieder zusammenzuflicken: In den vergangenen zwanzig Jahren hat der Arzt in seinem Krankenhaus in der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Bukavu weit über 20 000 geschändete Frauen operiert. Viele der Misshandelten leiden unter Vaginalfisteln, die durch eine Verletzung des Gewebes zwischen der Scheide und dem Enddarm entstehen. Derartig verletzt, können Frauen weder ihre Harn- noch ihre Darmausscheidungen kontrollieren. „Sie werden zu Ausgestoßenen in ihrem Zuhause“, sagt Mukwege: „Die Leprakranken der Gegenwart.“

Insgesamt wurden im Ende der 90er Jahre gegründeten Panzi-Hospital bereits 50 000 Opfer von Vergewaltigungen behandelt: Der Frauenarzt selbst operiert täglich bis zu zehn Patientinnen. Seine Freunde nennen ihn „Arzt ohne Grenzen“, weil er keines der Opfer einer der über 50 bewaffneten Gruppen wieder nach Haus schickt, die im Ostkongo ihr Unwesen treiben. Keine andere Region der Welt wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten gründlicher verwüstet.

Vergewaltigung wird als Mittel der Kriegsführung eingesetzt

In dem Gebiet von der halben Größe Deutschlands tummeln sich Rebellentruppen aus den Nachbarländern, Milizen von Volksgruppen, mit Pfeil und Bogen bewaffnete Banden sowie die kongolesische Armee, die   sich in wechselnden Koalitionen um die Kontrolle der reichen Bodenschatzvorkommen balgen. Und zwischendrin die Frauen, die zur Einschüchterung und Zerstörung der Moral des Feindes geschändet werden.

Auf Vergewaltigung als Mittel der Kriegsführung greifen Rebellen und Soldaten auf dem gesamten afrikanischen Kontinent auch gegenwärtig noch immer zurück: ob beim Bürgerkrieg im Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik oder in Somalia. In Nigeria haben die Heiligen Krieger der Boko-Haram-Sekte kürzlich 300 Mädchen als Geiseln genommen, um sie ihren Kumpanen als „Ehefrauen“ anzubieten. Und selbst im vermeintlich friedlichen Südafrika tragen von der Armut marginalisierte Männer ihren Frust und ihre Gewaltbereitschaft auf dem Rücken des „schwachen Geschlechtes“ aus. Schätzungen zufolge wird am Kap der Guten Hoffnung alle drei Minuten eine Frau vergewaltigt.

Ein Ende der Straflosigkeit wäre ein Fortschritt

Wird eine Frau vor den Augen ihrer Familie misshandelt, werden alle zerstört, weiß der Gynäkologe Mukwege: „Ich habe Ehemänner und Kinder gesehen, die deshalb den Verstand verloren haben.“ Viele Frauen könnten nach einer brutalen Vergewaltigung keine Kinder mehr kriegen, ganze Dorfgemeinschaften würden aus dem Gleichgewicht geworfen. Der Arzt kann zumindest einige der körperlichen Schäden reparieren und will auch die psychischen Folgen therapieren. Zu diesem Zweck wurde in seiner Klinik kürzlich auch eine psychotherapeutische Abteilung eingerichtet. Was Denis Mukwege jedoch nicht kann, ist die Ursachen des Wahnsinns aus dem Weg zu räumen. Ein Ende der Straflosigkeit, mit der zumindest im Kongo die Vergewaltiger rechnen können, wäre ein Schritt in diese Richtung.