Die SG BBM Bietigheim hat den Aufstieg in die erste Handball-Bundesliga geschafft. Es ist der größte Erfolg in der Geschichte des Clubs. Mit Blick aufs Oberhaus sagt der Vorsitzende Claus Stöckle: „Wir wollen zumindest versuchen, konkurrenzfähig zu sein.“

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Bietigheim - Ja spinnen die denn, die Bietigheimer? Der Handball-Zweitligist brauchte einen Punkt zum Aufstieg. Und dann: Samstagabend, Halle am Viadukt, die SG BBM liegt zur Pause 9:13 gegen Erlangen zurück – und das Publikum jubelt. Erst wenige und leise, dann sind plötzlich alle außer Rand und Band. Aus in Aue, dem Nebenkriegsschauplatz. Dort verlor der einzige Rivale aus Leipzig in einem um eine Stunde vorgezogenen Spiel. Man könnte von Wettbewerbsverzerrung sprechen.

 

Doch die nahm der Konkurrent gerne an. „Das Ergebnis war schon eine Hilfe“, gab der SG-Trainer Hartmut Mayerhoffer später zu. Kurz zuvor hatte der langjährige Vorsitzende Claus Stöckle zu den 1500 Fans gesagt: „Das war die schönste Niederlage, die man sich vorstellen kann.“ Verbunden mit dem Aufstieg in die Bundesliga, dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte.

Trainer Mayerhoffer ist der Vater des Erfolgs

Das Spiel Bietigheim hielt nur bis zum 5:5 (15.) mit, dann zog der HC Erlangen, bei dem in Sebastian Preiß auch ein Weltmeister von 2007 spielt, davon. Der Gast hatte klare Vorteile auf der Torhüterposition, wo Erlangens Jan Stochl (80 Länderspiele) seinen tschechischen Kollegen Jan Kulhanek ausstach. Erschwerend kam hinzu, dass Bietigheims Torjäger Robin Haller nach zwei Zeitstrafen in den ersten zehn Minuten stets am Rande der Roten Karte stand und nur noch dosiert eingesetzt werden konnte. Am 29:23-Sieg der Gäste gab’s jedenfalls nichts zu deuteln, und nach dem feierten auch die Franken – ebenfalls den Aufstieg. Was für ein verrückter Tag.

Der Trainer Hartmut Mayerhoffer ist der Vater des Erfolgs, ohne Wenn und Aber. Nach der Absage des ursprünglichen Wunschkandidaten Thomas König (der jetzt mit Friesenheim ebenfalls aufstieg), hat Bietigheim nun seinen Handball-Kaiser. Der kam im Vorjahr vom Drittligisten Friedberg, der aus wirtschaftlichen Gründen auf den Aufstieg verzichtete. Der 48-Jährige hat die Mannschaft stabilisiert, selbst als vier Stammspieler ausfielen. Und Spieler wie Robin Haller wieder zu Spitzenleistungen animiert. „Er ist sehr akribisch und hört in die Mannschaft rein. Er ist genau der Typ, den wir gebraucht haben“, sagt der Spielmacher Timo Salzer. Kein Wunder, dass die SG den bis 2015 laufenden Vertrag vorzeitig verlängern möchte. Doch Mayerhoffer sagt: „Ehrlich, darüber konnte ich mir zuletzt keine Gedanken machen.“

Die Mannschaft Sie lebt nicht von der individuellen Klasse einzelner Spieler, auch wenn in Robin Haller oder dem Ex-Nationalspieler Salzer sicher herausragende Akteure vorhanden sind. „Wir leben vom Teamgeist“, sagt der Coach, „deshalb möchte ich auch, dass das Gros zusammenbleibt.“ Gegen Erlangen wurden lediglich zwei Mann verabschiedet: Thorsten Salzer und Tim Coors. In Julius Emrich (Kreis), Dominik Schmid (Rückraum) sowie dem Friedberger Jonathan Scholz (Linksaußen) stehen drei Neue fest, drei weitere sollen noch dazu kommen. Auf welcher Position? „Das hängt auch von der finanziellen Situation ab“, sagt Mayerhoffer, wobei bei den Torhütern sicher nachgebessert werden muss.

„Wir wollen versuchen, konkurrenzfähig zu ein“

Der Etat Soll von jetzt einer Million auf im besten Fall 1,5 Millionen Euro erhöht werden, womit man immer noch am untersten Ende der Liga steht. In den vergangenen Jahren stiegen viele Aufsteiger postwendend wieder ab, und wenn man bedenkt, dass der HW Balingen aktuell mit einem 2,5-Millionen-Etat auf einem Abstiegsplatz steht, zeigt das die Schwere der Aufgabe. „Wir wollen zumindest versuchen, konkurrenzfähig zu sein“, betont Stöckle, fügt aber hinzu. „Wir müssen auch schon an die übernächste Saison denken.“ Soll wohl heißen: an einen möglichen Abstieg.

Die Halle Die altehrwürdige Halle am Viadukt mit ihren 1500 Plätzen hat einen ehrenvollen Abschied erlebt. Für die Bundesliga gibt es keine Genehmigung. Klar ist deshalb: die SG wird (wie schon zu einigen Topspielen in dieser Saison) in die MHP-Arena nach Ludwigsburg ausweichen, auch wenn die beim Handball nur gut 3500 Plätze bietet. Daneben werden auch Spiele in der Bietigheimer Egetrans-Eishalle ausgetragen. Zudem steht der Neubau einer Ballsporthalle in Bietigheim in Raum, deren Genehmigung zuletzt jedoch erneut verschoben wurde. Die würde zudem höchstens 2500 Plätze ausweisen. „Wir brauchen aber auch Trainingsmöglichkeiten“, sagt Stöckle. Die SG hat mehr als 40 Mannschaften im Spielbetrieb.

Bietigheim mausert sich so oder so zur heimlichen Handball-Hauptstadt. Denn neben Göppingen ist es der einzige Standort in Deutschland, der sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen erstklassig ist – und damit im „Handball-Olymp angekommen“ ist, wie es auf den frisch gedruckten T-Shirts am Samstag zu lesen war. In Anlehnung an den Hauptsponsor, den örtlichen Hemdenhersteller, ohne dessen Engagement diese Erfolgsgeschichte kaum möglich gewesen wäre.