Die SG Sonnenhof Großaspach ist der etwas andere Fußball-Drittligist. Auswärts ist der Verein Kult. Daheim zieht er nur die Massen an, wenn Traditionsclubs kommen: So wie gegen 1860 München.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Grossaspach - „Die anderen 10 000 müssen schaffen.“ „Ey Sandhausen, wenig Fans war doch unsre Idee.“ Selbstironisch zeigten sich die Fans der SG Sonnenhof Großaspachschon immer. Nun kam etwas Neues hinzu: Da der Auswärtsblock nie voll ist, bastelten die Fans für die Partie beim VfL Osnabrück 15 Banner, auf die sie Strichmännchen malten. Dazu spannten sie ein Plakat mit der Aufschrift „Ausverkauft“ auf. Der Fan-Club mit der kreativen Ader nennt sich „Dorfklub Esche 15“. Und die 16 Mitglieder kommen aus der kleinen Gemeinde Esche in Niedersachsen. 540 Kilometer von Großaspach weg. Der zweite auswärtige Fan-Club heißt „Sektion NRW – Kinder vom Sonnenhof“. Die meisten dieser 15 Mitglieder leben in den Kreisen Paderborn und Höxter. Das ist schlappe 410 Kilometer von Großaspach entfernt.

 

Liebe auf Distanz

Warum sie diese Liebe auf Distanz pflegen? Sie schätzen die familiäre Atmosphäre des selbsternannten „Dorfklubs“. Sie schätzen eine Elf, die in der dritten Liga mit Herz und Leidenschaft alles gibt. Sie schätzen den erfrischenden Kontrast zur Kommerzialisierung in der Bundesliga. So lauten die Antworten der Fans.

Joannis Koukoutrigas, der Sportdirektor der SG, freut sich über so viel Anerkennung: „Außerhalb von Baden-Württemberg ist die Wertschätzung für unseren Verein sehr groß.“ Da passt dann auch ein Promi-Fan wie Schlager-Königin Andrea Berg gut ins Bild. Die Frau von Spielerberater, SG-Mitbegründer und Aufsichtsratsmitglied Uli Ferberist meistens Thema in den Stadionblättern der Gastgeber. Auch Ferbers Star-Klienten Mario Gomez und Josuha Kimmich werden öfter erwähnt.

Über 6000 Tickets schon weg

Die SG ist auswärts Kult, zu Hause eher ein Mauerblümchen. Im Normalfall verlieren sich zwischen 1500 und 2000 Zuschauer in der Mechatronik Arena. Es sei denn die traditionsreichen Ex-Bundesligisten mit ihrer großen Anhängerschar schlagen im Fautenhau auf: So wie an diesem Montag (19 Uhr) der TSV 1860 München. Über 6000 Tickets sind für das Duell mit den Löwen schon verkauft. Auch der KSC lockte 7000 Besucher an, der 1. FC Kaiserslautern sogar 9500. „Wir tun alles, um selbst mehr Fans zu generieren. Wir kooperieren mit Schulen und Kindergärten, tun auch im Verein viel für den Nachwuchs“, erklärt Koukoutrigas. Durchschlagender Erfolg blieb trotz guter und engagierter Arbeit bisher aus.

16 Unentschieden sind zu viel

Viel schlimmer als der überschaubare Zuschauerschnitt ist die aktuelle sportliche Lage. Die SG steht in ihrem fünften Drittligajahr auf einem Abstiegsplatz. 15, 7, 10, 14 – lauteten die bisherigen Platzierungen in der Abschlusstabelle. „Bis aufs erste Jahr haben wir den Klassenverbleib immer souverän geschafft“, erinnert sich Kapitän Julian Leist. Warum es diesmal richtig eng wird? „16 Unentschieden sind zu viel, die bringen uns nicht nach vorne“, sagt der ehemalige Abwehrchef der Stuttgarter Kickers. Das ist eine Erklärung. Die andere: langjährige Stammkräfte wie Daniel Hägele, Pascal Sohm oder Sebastian Schiek, die wussten wie der Verein tickt, wechselten zu zahlungskräftigeren Drittligisten. Zuvor zog es die Topspieler Lukas Röser (Dynamo Dresden) und Joseph-Claude Gyau (MSV Duisburg) zu Zweitligisten. Kompensiert hat dies die SG nicht selten auch mit Spielern aus dem Unterbau des VfB oder mit Aktiven der Kickers – doch in diesen Mannschaften ist die Qualität gesunken.

Duales System für die Spieler

Das wirkt sich negativ auf die SG aus. Sie ist zwar der etwas andere Drittligist – doch die branchenüblichen Mechanismen greifen auch hier. Vergangenen Oktober setzte der Club auf die befreiende Wirkung des Trainerwechsels: Florian Schnorrenberg kam für Oliver Hildmann. Im Winter gab’s personellen Zuwachs. Zumindest einer schlug ein: Stürmer-Routinier Zlatko Janjic (zuvor KS Kielce/Polen) traf bereits fünfmal. Dennoch steht der Club sieben Spieltage vor Schluss mit dem Rücken zur Wand. „Für viele ist es inzwischen selbstverständlich geworden, dass wir dritte Liga spielen“, sagt Koukoutrigas. Ist es aber nicht. Mit einem Etat von 3,4 Millionen Euro (knapp 1,9 Millionen Euro fließen in die erste Mannschaft) befindet man sich im unteren Viertel der Liga. „Wir entwickeln uns weiter, bilden Spieler aus, und geben ihnen eine Plattform. Entweder um nach oben zu kommen, oder sich via Ausbildung oder Studium ein zweites Standbein aufzubauen“, erläutert Koukoutrigas.

Leist: „Wir packen das“

Diese Philosophie würde sich auch bei einem Abstieg nicht ändern. „Es geht in jedem Fall weiter“, sagt der Sportdirektor. „Wir würden eine Mannschaft zusammenstellen, die in zwei, drei Jahren wieder in die dritte Liga hoch kommen kann.“ Einfach wäre das nicht. In der Regionalliga fallen 1,2 Millionen Euro an TV-Geldern weg. Ein größerer Umbruch stünde an. Aktuell hat kein SG-Spieler einen Vertrag für die vierte Liga. „Ich plane nur für die dritte Liga“, sagt Koukoutrigas. „Wir packen das“, ergänzt Kapitän Leist. Und die Die Fan-Clubs aus Niedersachsen und Westfalen zittern doppelt mit – zu den Auswärtsspielen der SG in der Regionalliga Südwest hätten sie auch noch eine weitere Anreise...