Schauspieler, Bühnenarbeiter und die Querdenker von She She Pop haben im Schauspiel so klug wie unterhaltsam die Mechanismen der Macht an ihrem Arbeitsplatz Staatstheater unter die Lupe genommen.

Stuttgart - Die im Dunkeln sieht man nicht. Im Theater sind es viele, die nie im Rampenlicht stehen und doch den Apparat Theater genauso am Laufen halten wie ihre Schauspielerkollegen. Bühnenarbeiter, Techniker, Regieassistenten, Kostümfärber, Schreiner . . . Die siebenköpfige freie Theatergruppe She She Pop aus Berlin hat in einer Koproduktion mit dem Schauspiel Stuttgart jetzt genau diese „Unsichtbaren“ auf die Bühne geholt: „Einige von uns. Ein Lehrstück“ heißt die Produktion. Bliebe man dem Duktus von She She Pop treu, dann dürfte man alle diese Berufe allerdings nur mit dem Suffix -Innen bezeichnen. So viel Feminismus muss schon sein bei dieser Truppe von sechs Frauen und einem Mann. Mit ihren Produktionen mischen die Querdenker des Performancekollektivs She She Pop schon seit vielen Jahren die Theaterszene auf, auch im Staatstheater waren sie schon mehrmals zu Gast. Jetzt sind sie im Herz der Maschine Theater angekommen.

 

Wie wird dort gearbeitet? Wer macht was, und wer darf selbst Entscheidungen treffen? Wer wird von den Kollegen ernst genommen, und wer hat wann schon einmal total versagt? Diese Fragen werfen sich die über fünfzig Beteiligten auf auf der Bühne quasi im Pingpong zu. Mal antwortet ein kollektiver Chor, mal sind es Einzelne, die hervortreten. Es dauert eine Weile, bis man kapiert, wer da wohl zu welcher Gruppe gehört. Denn die Schauspieler, die „Sichtbaren“, leiden manchmal unter den gleichen Demütigungen wie die im Hintergrund Tätigen, die Unsichtbaren. Sie stehen jetzt alle zusammen auf der schwarzen Bühne und bilden immer wieder neue Konstellationen, stoßen sich ab und an wie geladene Teilchen.

Der Zuschauer stirbt den Bühnentod

Dieses Hervortreten von immer neuen Zirkeln ist einer von vielen guten Einfällen, die die Strukturen der Macht bei der Arbeit augenfällig machen. Es geht ums Theater bei dieser verblüffenden, witzigen und lehrreichen Innenansicht eines Kunstbetriebs. Aber eben nicht nur. Bei ihren Recherchen haben sich die She-She-Pop-Performer wie Feldforscher in die Büros und Werkstätten des Theaters aufgemacht, haben dort Interviews geführt und aus dem gesammelten Material einen pointenreichen Text destilliert.

Den Untertitel „Lehrstück“ trägt die Inszenierung nicht umsonst. Das Performance-Kollektiv hat sich bei Theatertheorien von Bertolt Brecht bedient, der vor gut achtzig Jahren in seinen Lehrstücken die Rollen von Publikum und Darstellern neu definiert hat. Klar, dass auch hier das Publikum gefragt ist und als Chor mit eingeblendeten Untertiteln seinen Anteil beiträgt – ein bisschen wie beim Psalm-Sprechen in der Kirche. Nur im Dunkel als schwarze Masse verschwinden, das wäre jedenfalls entschieden zu wenig, gefordert wird gar der Bühnentod der Zuschauer. Jeder muss schließlich ein Opfer bringen.

Zwischen den Grenzen von Illusion und Wirklichkeit

Dass der Rückgriff auf Brecht’sche Verfahrensweisen in dieser sehr mitunter urkomischen und nie langweiligen 120-Minuten-Produktion ganz und gar nicht angestaubt wirkt, ist eine von vielen Überraschungen des Abends. Fragen stellen, sehr einfache Fragen, diese Fragen wiederholen, Erklärungen und Veränderungen einfordern und dabei die Grenzen von Illusion und Wirklichkeit verwischen, das kommt hier sehr frisch und nie verquast oder theorieverliebt über die Bühne.

Nicht nur die Schauspieler, auch die vermeintlich Unsichtbaren machen eine gute Figur auf der Bühne. Das Kollektiv von freier Szene, dem Ensemble und den Angestellten hat ganze Arbeit geleistet bei diesem Abend über die Arbeitswelt Theater.

Vorstellungen nur noch 16. und 17. Mai