In der aktuellen Shell-Jugendstudie kommen zum ersten Mal die nach der Wende Aufgewachsenen zu Wort. Obwohl der jungen Generation große Aufgaben bevorstehen, blickt sie optimistisch in die Zukunft.

Berlin - Trotz aller weltweiten Krisen: die Jugendlichen in Deutschland bleiben optimistisch. Das ist das Ergebnis der neuen Shell-Jugendstudie. „Wir erleben eine pragmatische Generation im Aufbruch“, sagte der Bielefelder Soziologe Mathias Albert am Dienstag in Berlin.

 

Sie ist ein Klassiker der deutschen Sozialforschung. Seit 1953 untersuchen Forscher im Auftrag der Mineralölfirma Shell Wertehaltungen und Orientierungen der Jugendlichen. Für die aktuelle 17. Auflage wurden knapp 2600 Jugendliche im Alter von zwölf bis 25 Jahren befragt. Somit kam erstmals in einer Shell-Studie die Generation zu Wort, die nach der Wiedervereinigung aufgewachsen ist.

Von den Befragten gaben 61 Prozent an, mit Zuversicht in ihre persönliche Zukunft zu schauen – ein Plus von elf Prozentpunkten gegenüber der Studie 2006. Was den Blick in die gesellschaftliche Zukunft anbelangt, zeigten sich 52 Prozent zuversichtlich. Das macht einen Anstieg von acht Prozentpunkten gegenüber der Erhebung von 2006 aus. Allerdings ergibt sich bei der Zukunftserwartung eine Kluft zwischen den sozialen Schichten. Nur ein Drittel der Jugendlichen aus ärmeren Familien gab an, optimistisch in die persönliche Zukunft zu blicken. „Diese Kluft“, so Albert, „nimmt nicht zu. Sie nimmt aber auch nicht ab.“

Das klassische Familienbild fächert auf

Die Differenz zeigt sich auch im Familienverständnis. Mehr als 90 Prozent der Jugendlichen berichten von einem guten Verhältnis zu ihren Eltern. Kinder und junge Erwachsene aus der schwächsten Schicht treffen diese Aussage deutlich seltener. Familie hat nach wie vor für die meisten einen hohen Stellenwert.

Dabei fächert sich das klassische Familienbild aber auf. Waren früher die meisten Befragten der Meinung, dass man für das Lebensglück eigene Kinder brauche, sind jetzt nur 41 Prozent dieser Auffassung. Ein Viertel meint außerdem, dass man auch als Single glücklich leben könne. Der Kinderwunsch ist in einem Maße gesunken, den Albert für signifikant, aber nicht für dramatisch hält. 64 Prozent der Befragten betonen, dass sie sich Kinder wünschen – ein Minus von fünf Prozentpunkten gegenüber 2010. Der Rückgang sei bei männlichen Jugendlichen stärker als bei den weiblichen. Das sei aber, so Albert, keine Flucht vor Verantwortung. Vielmehr realisierten junge Männer, wie schwer es oft sei, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Und dieser Wunsch ist stark ausgeprägt. Während die Ausrichtung auf die Karriere an Bedeutung verliert, wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie von Arbeit und Leben wichtiger. So ist es zum Beispiel für vier von fünf Jugendlichen wichtig, die Arbeitszeit auch kurzfristig an ihre persönlichen Bedürfnisse anpassen zu können.

Zuwanderung ist für viele Jugendliche selbstverständlich

Die Shell-Studie belegt auch wachsendes politisches Interesse von Jugendlichen. Gaben im Jahr 2002 nur 30 Prozent an, sich für Politik zu interessieren, sind es jetzt 41 Prozent. Dies schlägt sich aber nicht in der Bereitschaft nieder, in Parteien aktiv zu werden. Vielmehr seien andere Formen des Engagements attraktiv.

Was den Umgang mit Zuwanderern betrifft, zeigt sich ein klarer Trend – ein Trend, der darauf zurückgeht, dass es für Jugendliche selbstverständlich ist, mit Gleichaltrigen aus anderen Ländern oder Kulturkreisen aufzuwachsen: Die Sorge vor Ausländerfeindlichkeit ist größer als die vor Zuwanderung.

Ministerin Schwesig: diese Studie macht Mut

Daraus folgt aber nicht sogleich, dass Zuwanderung durchweg positiv gesehen würde. So wollen 32 Prozent weniger Flüchtlinge aufnehmen und 37 Prozent treten dafür ein, die Zuwanderung insgesamt zu verringern. Dieser Wert hatte 2006 noch bei 58 Prozent gelegen.

Die Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) erklärte, dass die Jugend oft zu Unrecht gescholten werde. Die Studie mache Mut, weil sie zeige, dass die junge Generation mitgestalten wolle – und zwar die eigene Zukunft wie die Zukunft ihrer Mitmenschen. Es gebe keinen Grund, sich in der Erziehung zu viele Sorgen zu machen: „Eltern können sich auch mal entspannt zurücklehnen und sich sagen, dass die Kinder auf einem guten Weg sind.“