Facebook-Vorstandsmitglied Sheryl Sandberg sorgt mit der Kritik an Geschlechtsgenossinnen in den USA für Furore. Die einen sehen in Sandbergs Buch ein feministisches Manifest. Kritiker halten dagegen, die Topmanagerin tauge nicht als Role Model.

Davos - In den USA erscheint das Buch erst in der nächsten Woche. Aber schon die Vorabdrucke und vor allem das, was manche aus dem Text herauslesen, haben ausgereicht, dass eine Art Krieg der Worte ausgebrochen ist. Ist Sheryl Sandberg, Vorstandsmitglied beim Online-Netzwerk Facebook, mit ihrer Streitschrift „Lean In: Women, Work and the Will to Lead“ (übersetzt etwa: Hängt euch rein: Frauen, Arbeit und der Führungswille) ein feministisches Manifest für das 21. Jahrhundert gelungen, fragen die einen. Möchte sich Sandberg einfach nur mit der Verschriftlichung von ein paar steilen Thesen noch bekannter machen als sie ohnehin schon ist, fragen die anderen. Die Dritten sagen: Da erhebt sich eine reiche, elitäre Managerin über die Millionen von Frauen, die es nicht so gut haben wie sie, und belehrt sie auch noch.

 

Vor ein paar Wochen saß die 43 Jahre alte Sheryl Sandberg, die das operative Geschäft von Facebook leitet, auf einem Podium des Weltwirtschaftsforums in Davos und sagte, dass bedruckte T-Shirts das Problem seien. Da habe sie doch gesehen, dass auf Shirts für kleine Jungs der Spruch „Schlau wie Papa“ stehe, auf den Shirts für Mädchen aber „Hübsch wie Mama“, sagte die dunkelhaarige Frau. „Und ich wäre froh, wenn ich sagen könnte, dass das eine Geschichte aus den 50-er Jahren ist.“ Nein, es war Amerika im Jahr 2012, sagte Frau Facebook – ein Land, in dem sich Textilhändler geschlechtsspezifischer Stereotypen bedienen, um ihr Geld zu verdienen. „Darüber müssen wir reden“, hat Sandberg gesagt.

Frauen sind für ihre Misere selbst verantwortlich

Im Grund genommen redet sie seit Jahren davon. Nun hat sie ihre Thesen aufgeschrieben – und für eine hitzige Debatte gesorgt. Dabei sind Sandbergs Thesen nicht neu: Es gibt weniger Frauen als Männer in Führungspositionen. Frauen tragen die doppelte Last von Beruf und Haushalt. Frauen sind gegenüber Männern im Nachteil, wenn sie nach einer Babypause ins Unternehmen zurückkehren. 57 Prozent aller männlichen Universitätsabsolventen handelten ihr erstes Gehalt hartnäckig aus, sagt Sandberg. Frauen dagegen machten das nur in sieben Prozent aller Fälle. Ungleichbehandlung ist allenthalben zu verorten – woraus Sandberg den Satz macht: „Eine wirklich gleichberechtigte Welt wäre jene, in der Frauen die Hälfte unserer Länder und Unternehmen führten, und Männer sich um die Hälfte der Haushalte kümmerten.“

Das aber ist auch nicht das Problem, mit dem sich renommierte Kolumnistinnen renommierter US-Zeitungen seit Wochen kontrovers beschäftigen. Das Problem ist Sandbergs Schlussfolgerung. Sie macht die Frauen selbst für die Misere verantwortlich. Frauen seien es, die nicht entschlossen genug die eigene Karriere planten, die nicht oft genug die Hände nach oben reckten und sagten: Hier bin ICH, gebt mir den Job! Und weil Sandberg ihre These gerne mit einer Geschichte umkleidet, beschreibt sie den Moment, als sie vor ein paar Jahren mit dem damaligen US-Finanzminister Timothy Geithner an einem Konferenztisch saß und dieser zwei hochrangige Mitarbeiterinnen mitgebracht hatte, die sich dann aber wie selbstverständlich in die zweite Reihe gesetzt hätten. „Niemand bekommt das Chefbüro, wenn er nur am Rand, aber nicht mit am Tisch sitzt“, sagt Sandberg und ruft aus: „Behaltet den Fuß auf dem Gaspedal.“ Wer Sheryl Sandbergs Lebenslauf ansieht, könnte zu dem Schluss kommen, dass da jemand leicht reden hat. Sie studierte an der Elite-Universität Harvard, wofür auch erst bezahlt werden muss; sie war bei der Weltbank und im US-Finanzministerium. Und sie hatte einen hohen Posten bei Google. Seit ein paar Jahren sitzt die Mutter zweier Kinder nun in der Chefetage von Facebook. Inzwischen zählt sie zu den reichsten Frauen in den Vereinigten Staaten.

Darf so eine Frau anderen Frauen Ratschläge geben?

Darf so eine Frau anderen Frauen Ratschläge geben? Die Kolumnistin Jodi Kantor von der New York Times hat damit zumindest einige Schwierigkeiten. Sie schreibt, dass es ungewöhnlich sei, wenn eine superreiche Frau, die in einem 800-Quadratmeter-Haus lebe und eine kleine Armee an Haushaltshilfen habe, vom Glück weniger verwöhnte Frauen auffordere, nach innen zu blicken und härter zu arbeiten. Andere Kritikerinnen wägen ihre Worte weniger. Von einem Eitelkeitsprojekt der erfolgreichen Managerin aus dem Silicon Valley, das die Züge einer PR-Kampagne trage, schreibt Melissa Gira Grant in der Washington Post. Und die Kolumnistin Maureen Dowd urteilt, Sandberg wolle offenbar so etwas wie eine „Power-Point-Rattenfängerin in Prada-Schuhen“ werden.

Jessica Valenti, die vier Bücher über Fragen des Feminismus geschrieben hat, zeigt sich dagegen nachsichtiger: „Nur wenige von uns haben Nobelpreisträger zu Gast oder zählen frühere Finanzminister zu ihren Mentoren.“ Aber nur, weil die meisten Frauen sich nicht mit Sandbergs Leben identifizieren könnten, heiße das ja noch nicht, dass sie nicht von Sandberg lernen könnten. Deren Leistungen machten sie geradezu zu einer perfekten Fürsprecherin des Feminismus. Das Gleichberechtigungsprojekt brauche mächtige Frauen.