Vom Center in die Fußgängerzone
Das Tübinger Unternehmen der Familie Riethmüller teilte kürzlich mit, seinen Mietvertrag nach zehn Jahren nicht zu verlängern. „Wir sind derzeit dabei, unser Filialkonzept zu überarbeiten“, sagt Martin Riethmüller, der gemeinsam mit Cousin Christian die Geschäfte führt und für das Marketing der Kette verantwortlich ist. Es habe daher gut gepasst, dass 2024 der zehnjährige Mietvertrag in den Mercaden auslaufe, sagt er. Die Buchhandlung ziehe sich nach und nach aus Einkaufszentren zurück, so auch aus dem Stuttgarter Milaneo.
Nur ein Steinwurf von den Mercaden entfernt in der Bahnhofstraße 23 sei Osiander „eine super Verkaufsfläche“ angeboten worden, die genau ins Konzept gepasst habe. An dieser Stelle baut seit dem vergangenen Jahr die BB Wohnbau Böblingen das Wohn- und Geschäftshaus Inside BB. Osiander werde dort auf über 300 Quadratmetern eine neu konzipierte Filiale eröffnen, in den Mercaden seien es derzeit noch über 400 Quadratmeter. Riethmüller: „Die Verkleinerung wird aber nicht dazu führen, dass wir unser Sortiment ausdünnen, im Gegenteil.“ Auch personell ist keine Reduktion geplant. Was für die Fußgängerzone eine gute Nachricht ist, setzt die Mercaden unter Druck. Denn nicht nur Osiander sagt dem Center Lebewohl.
Decathlon zieht bald ins Pulse
Im Erdgeschoss belegt derzeit noch Decathlon eine große Fläche. Doch der Sportartikler zieht bekanntermaßen neben Aldi, Tegut und dm in den nicht weit entfernten Neubau Pulse zwischen Olgastraße und Brumme-Allee. War die Bahnhofstraße in der jüngeren Vergangenheit vor allem von Baustellen geprägt, schreiten die Bauprojekte voran – und neue Ladenflächen stehen zur Verfügung. Erlebt die Fußgängerzone eine Renaissance?
Böblingens City-Managerin Kira Morgan kann diesen positiven Trend bestätigen: „Die Böblinger Einkaufslandschaft wird so an dieser Stelle zukunftsweisend weiterentwickelt und die Bahnhofstraße als wichtige Achse der Innenstadt zum Schlossbergring weiter gestärkt.“
Doch wie reagieren die Mercaden darauf? In der Branche ist es üblich, Mietverträge in Centern über zehn Jahre abzuschließen. Dem Vernehmen nach laufen in der Mall daher im kommenden Jahr mehrere davon aus. „Auslaufende Mietverträge bringen Veränderungen und damit die Chance, den Angebotsmix zu überprüfen und zu modernisieren“, sagt Centermanager Edip Özerol, der die Geschicke des Centers seit 2019 führt. Gleichwohl räumt er ein: „Manche Konzepte sind nicht mehr zeitgemäß.“ Wer oder was anstatt Osiander auf der Fläche nachfolgen könnte, darüber macht er keine Angaben.
Management führt „intensive Gespräche“
Nur soviel: Das Management führe intensive Gespräche mit mehreren Interessenten aus dem Einzelhandel. „Das Interesse an vakanten Flächen ist groß“, sagt er. Das Center befinde sich schließlich in einer kaufkräftigen Region. Özerol: „Dass die Mercaden Böblingen ein starkes Fundament und eine sehr hohe Anziehungskraft haben, zeigen unsere Besuchszahlen: Mittlerweile haben wir die Frequenzen aus dem Rekordjahr 2019 wieder erreicht.“ Er wolle sicherstellen, dass der Ladenbesatz „passgenau“ auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sei und nehme sich entsprechend „Zeit bei der Auswahl der Mieter“. Bisher ist davon allerdings nicht viel zu sehen: Im Obergeschoss reiht sich Leerstand an Leerstand.
Immerhin: Manch ein Bestandsmieter habe sich im Center vergrößert. So sei die Ladenfläche des Modehändlers New Yorker gewachsen und Woolworth habe sich im Untergeschoss ebenfalls ausgedehnt. Nur das Obergeschoss dürfte Özerol Bauchschmerzen bereiten. Kaum ein Besucher verirrt sich in die entlegenen Bereiche, der Übergang zu C&A ist kaum noch frequentiert.
Hotel statt Leerstand
Shopping Malls, eingebettet in Fußgängerzonen – das galt vor zehn Jahren als Erfolgsmodell. In Stuttgart eröffnete nahezu zeitgleich mit den Mercaden das Gerber im gleichnamigen Viertel. Dort entwickelte sich das Obergeschoss ebenfalls zum Sorgenkind, immer mehr Mieter gaben auf. Die Betreiber entschieden sich daher zum Kurswechsel – und verwandelten es in ein Hotel. In diesem Jahr eröffnete dort das „Ruby Hanna“ mit 150 Zimmern und Cocktail Bar.
Die Geschichte der Mercaden in Böblingen
Eröffnung
Im Oktober 2014 gingen die Mercaden in Böblingen zeitgleich mit der neu geschaffenen Fußgängerzone in der Bahnhofstraße an den Start.
Geschichte
Bis 2007 befand sich an der Stelle der heutigen Mercaden der Zentrale Omnibusbahnhof. Noch bevor ein Investor für die Fläche in Sichtweite war, verlegte die Stadt den Busbahnhof an den heutigen Platz in der Talstraße.
Investor
Im Juli 2009 unterschrieb der Unternehmer Herbert Krämer aus Bergisch Gladbach den Kaufvertrag für das Areal. Krämer verkaufte das Center allerdings schon ein Jahr nach Eröffnung 2015 an die Hansemerkur Grundvermögen – blieb aber Betreiber.
Centermanagement
Im Februar 2019 tauschte der neue Inhaber das Centermanagement aus: Krämer wurde durch Sonae Sierra ersetzt, der damalige Centermanager Jochen Klemens übergab an Edip Özerol.