Die Liberalen sind nach Ansicht der Fachanwältin Sibel Yüksel auf einem rechtskonservativen Kurs, den sie schon länger nicht mehr mitgehen will. Im Stuttgarter Gemeinderat sucht sie jetzt Anschluss.

Die Freien Demokraten im Stuttgarter Stadtparlament verlieren ihre Fraktionssprecherin. Die Rechtsanwältin Sibel Yüksel hat ihren Rückzug nicht nur aus der Fraktion, sondern auch aus der Partei erklärt, die nicht mehr ihre politische Heimat sei, „nachdem sich die Parteipolitik und in Teilen auch die Ausrichtung der FDP-Fraktion im Gemeinderat Stuttgart immer weniger mit meinen eigenen Werten deckt“, erklärte Yüksel (51) in einer Pressemitteilung.

 

Sie habe ihrer Fraktion eine Zählgemeinschaft angeboten, so Yüksel am Telefon, weil sie weiter im Verwaltungsausschuss bleiben wolle. Lehne die FDP ab, wolle sie mit einer anderen Fraktion kooperieren. Mit welcher, lässt sie offen, Angebote sollen vorliegen.

Die Fachanwältin für Familienrecht war 2000 bei den Liberalen eingetreten, sie ist vielfältig sozial engagiert. Über den Vorsitz der Stadtgruppe West, ein Mandat im Bezirksbeirat und als Sachkundiges Mitglied im Internationalen Ausschuss kam sie auf die Liste der Liberalen. 2014 wurde Yüksel Stadträtin, zuletzt war sie neben dem Apotheker Matthias Oechsner Fraktionssprecherin.

„Geringschätzung liberaler Werte“

„Ich bin als Sozialliberale Mitglied bei der FDP geworden, um mich für Menschen- und Bürgerrechte und für die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen einzusetzen“, so Yüksel. Inzwischen habe die Partei, auch die Stuttgarter Kreispartei, „eine rechtskonservative Ausrichtung, bei der ich mich nicht wiederfinde“, so Yüksel, die dabei die Namen Lindner, Kubicki und Kemmerich (Kurzzeit-MP in Thüringen mit Hilfe der AfD) nennt. Sie könne sich mit der Grundrichtung nicht mehr identifizieren.

„Die Fraktion ist ihr offensichtlich nicht sozialliberal genug“, kommentiert Matthias Oechsner die Demission, aber das treffe nicht zu. „Wir konnten sie nicht umstimmen, das Gesamtpaket hat nicht gestimmt. Ich zolle ihr Respekt, bedauere den Austritt“, so Oechsner. „Das ist ein Verlust für uns“, sagt der frühere FDP-Kreischef Armin Serwani, der eine schleichende Entfremdung beschreibt. Sie habe früh kommuniziert, nicht mehr für eine Wahl zur Verfügung zu stehen. „Persönlich tut es mir leid, sie ist eine Frau mit Prinzipien, aber man muss Kompromisse machen, und manchmal braucht es Pragmatismus in der Politik“, sagt die FDP-Kreisvorsitzende Gabriele Reich-Gutjahr. Yüksel solle ihr Mandat zurückgeben.

Respektbekundungen im Netz

Auf Facebook erhält Yüksel Rückhalt. „Respekt“, schreibt der frühere Grünen-Staatsminister Klaus-Peter Murawski, der selbst in der FDP war. „Dein Ausscheiden schmerzt“, schreibt FDP-Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer. „Danke für deinen Einsatz“, sagt Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne). „Das kam jetzt nicht vollends überraschend, aber trotzdem sehr schade“, so Kerim Arpad, der Geschäftsführer des Deutsch-Türkischen Forums.