Lehren aus den USA: Man muss kein Diktator sein, um ein Volk ins Unglück zu stürzen, meint unsere Autorin.

Stuttgart - Das ist die Woche des großen Zampano aus Amerika. Wir erleben ihn im Weltgipfelzirkus. Mal in Kanada, mal in Singapur. Vorhang auf. Bitte treten Sie ein. Hier sehen Sie einen irrlichternden Regenten, einen Nero der Neuzeit, den Mächtigsten unter den Mächtigen, wie er Blitze des Unmuts ins gemeine Volk schleudert. Aufgeschreckt und zitternd umtanzen ihn die Zwerge aus Europa – Merkel, May und Macron. Sie weiden ihn auf grünen Auen, reden beschwörend auf ihn ein, hoffen auf ein Quäntchen Vernunft. Vergebens.

 

Ha, wie er diese Aufmerksamkeit genießt, wie er sie warten lässt, erst zu spät kommt, dann zu früh geht, zunächst eine Zustimmung zum Abschlusspapier erlaubt, später eine vernichtende Absage aus dem Flugzeug herab aufs schnöde Erdenland donnert. Ja, er residiert ganz oben in seinem Wolkenkuckucksschloss, den Rest der Welt verachtet er. Der hat zu spuren. Nur der wunderbare und „ehrenhafte“ Herr Kim aus Nordkorea ist vorübergehend ausgenommen, ein kleiner, dicker Atomerpresser und Mörder, der ganz nebenbei einen Onkel oder auch seinen Bruder um die Ecke bringen lässt. Was soll’s, muss eben sein.

Trump ist ein größenwahnsinniger Regent

Alle anderen, lauter gute Freunde aus vergangenen Epochen, sehen sich düpiert und gedemütigt: der forsche Napoleon aus Paris, die Cousine aus London, Mutter Teresa aus Berlin, die schöne Weltwährungshüterin Christine Lagarde, der etwas abgeschlaffte Jean-Claude Juncker und Monsieur Trudeau, der charmante kanadische Nachbar. Gewiss, aus der Sicht des größten Präsidenten aller Zeiten ist das mehr als gerecht. Haben sich, so glaubt er, doch alle an Amerikas Zitzen satt getrunken. Jetzt endlich soll sein Land an der Reihe sein. America first!

Mit diesem Wort geht er hausieren. Freilich dient es längerfristig gesehen nicht den USA, sondern hier und heute ihm allein zum Zweck der medialen und machtpolitischen Beförderung. Trump ist eben nur einer in der langen Ahnengalerie überdrehter und größenwahnsinniger Regenten. Wenn er könnte, wie er wahrscheinlich möchte – also den Erdogan geben – , dann wäre auch in den USA die freie Presse lahmgelegt. Seine politischen Gegner säßen im Gefängnis. Die Justiz dürfte nur nach seinem Willen entscheiden, und militärisch . . . ach, das mag man sich gar nicht vorstellen. Denn an diesem Punkt hat er laut der Verfassung mehr Möglichkeiten, als der Menschheit guttun.

Aber selbstverständlich treibt er es, trotz aller Checks- and-Balances, bereits zu weit, und er verschwendet offenbar keinen Gedanken daran, dass es – neben dem genialen Kodex der Zehn Gebote für das gedeihliche Zusammenleben der Menschen – noch ein elftes Gebot gibt, das vor allem in der Politik zu beachten ist. Es lautet: Du sollst dich nicht überschätzen und andere demütigen! Denn irgendwann sammeln sich die Gedemütigten zum Gegenangriff, wobei das eine so verhängnisvoll sein kann wie das andere.

Wir lernen das aus der deutschen Geschichte. Ohne die Demütigung der Versailler Verträge hätte der kleine Gefreite Adolf Hitler nicht so viel Zulauf bekommen. Die Katastrophe, die wiederum darauf folgte, ist bekannt. Solche Kettenreaktionen gehen nie gut aus. Und also wird auch das Chaos, das der US-Präsident derzeit lustvoll anzettelt, eines Tages auf ihn und sein Volk zurückschlagen.

Immerhin ist seine Amtszeit begrenzt. Und in den USA ist spätestens nach acht Jahren Schluss. So muss auch diese Herrschaft enden. Böse vermutlich. Donald Trump wird sich zwar nicht im Dreckloch verstecken müssen und schließlich am Galgen hängen wie Saddam Hussein; er wird nicht geschlagen und zerfetzt werden wie Gaddafi; er wird aller Voraussicht nach auch nicht im Bunker am Selbstmord zugrunde gehen wie Adolf Hitler. Aber ausreichend Schmach und Schande hat er jetzt schon für alle Beobachter, Beteiligte und Betroffene, sofern sie noch bei Verstand sind, auf sein Haupt geladen. Er wird am Pranger stehen. Ob er das dann auch wahrnimmt, ist eine andere Frage. Ich will nicht ausschließen, dass es ihm in seinem Ich-Wahn gelingen könnte, sogar den schlimmsten Höllensturz noch als Sieg auszugeben.

Die Europäer sollten selbstbewusster

Am Schaden, den er schon angerichtet hat und noch anrichten wird, ändert das nichts. Es muss einer kein größenwahnsinniger Diktator wie Adolf Hitler sein, um ein Volk ins Unglück zu führen. Auch ein in freien und gleichen Wahlen gekürter Regierungschef wie Donald Trump kann viel Unheil anrichten. Diesem hier ist es bereits nach gut einem Jahr im Amt gelungen, das Ansehen seines Landes in aller Welt zu beeinträchtigen und die jahrhundertealte amerikanische Demokratie zu beflecken.

Die einst bewunderten USA, denen wir so viel zu verdanken haben, hat sich einen Präsidenten erwählt, dem es in eklatanter Weise an Wissen und Niveau fehlt, der lügt, der Verträge bricht, auf dessen Wort man keine Minute lang bauen kann, dem die Umwelt schnurzegal ist, der sich zum Büttel der Waffenlobby macht, der heute dies sagt und morgen das Gegenteil, der ein Vergnügen darin findet, die besten Freunde herauszufordern und zu beleidigen. Politik als Zirkus. Unter Umständen steuert er sogar auf einen Krieg zu. Einem derart gefährlichen Mann laufen Wähler hinterher. Was für eine Tragödie.

Die europäischen Zwerge sollten sich nicht so klein machen. Sie sollten ihn nicht aufmerksam umringen und besorgt auf ihn einreden – wie auf dem Foto zu sehen, das gerade in allen Medien umgeht. So viel guter Wille fordert den bösen Buben nur noch mehr heraus. Die Europäer sollten auch nicht über jedes Stöckchen springen, das er ihnen hinhält, sondern ihm zur Abwechslung mal den Rücken zuwenden. Nicht um ihn kümmern! Selber leben! Das können die Zampanos am wenigsten ertragen.