In der Hatz auf FDP-Chef Philipp Rösler schwang auch eine Prise Rassismus mit – meint unsere Kolumnistin Sibylle Krause-Burger.

Stuttgart - Immer wenn der nette Herr Rösler in den letzten Wochen und Monaten auf dem Bildschirm erschien, wurde seine Person von Sprechern und Kommentatoren mit negativen Einschätzungen bedacht. Ob in Nachrichtensendungen, ob in Talkshows oder Reportagen über den Wahlkampf in Niedersachsen, allemal ließen die Berichterstatter keinen Zweifel daran, dass dem Zuschauer hier ein Kandidat für den Abstieg präsentiert wurde. Rösler war so etwas wie der Loser par excellence, ein Mann aus dem politischen Jenseits. An seinem endgültigen Untergang konnte kein Zweifel mehr aufkommen. Der Vizekanzler, Bundeswirtschaftsminister und Noch-Parteivorsitzende der Liberalen war fast zur lächerlichen Figur abgesunken.

 

An ihm konnten sich alle abarbeiten, die sich öffentlich über die FDP oder aus der FDP zu Wort meldeten. Und in der Tat haben seine Erscheinung und seine Rhetorik etwas Irritierendes. Dieses bubenhaft Hübsche, diese leise und bisweilen verwischte Art zu reden, dieses beharrliche Lächeln inmitten politischer Raubkatzen vom Schlage eines Dirk Niebel, von schlauen Füchsen wie Wolfgang Kubicki oder von giftigen Schlangen à la Rainer Brüderle; dieses freundliche Zurückweichen ohne ein einziges Mal zurückzuschlagen: wie konnte so einer in die Politik kommen? War er nicht völlig fehl am Platz? Ein Fremdkörper?

Kein bisschen Solidarität, nirgendwo

Die richtigen Alphatiere sind doch von ganz anderem Kaliber. Peer Steinbrück etwa, den sie ja auch schon geraume Zeit zum Verlierer abstempeln, der aber Zähne zeigt und Eisesblicke in die Runde wirft, der gleichermaßen zynisch und zerknirscht daher redet, aber seine Truppen – zumindest vorerst – hinter sich hat. Oder Angela Merkel, die Attacken aus aller Welt aushält und sich tagtäglich als mindestens so stahlhart bewehrt erweist wie unsere allseits begehrten Leopardpanzer. Schließlich der preußisch kühle Thomas de Maizière auf dem Schleudersitz des Verteidigungsministers, der nichts als den schieren Ernst vorstellt, als Nüchternheit und Entschlossenheit – wenigstens von außen betrachtet. Ein Glückspilz, wer ihn einmal lächeln sieht. Auch Frau von der Leyen, nicht zu vergessen, die auf ihre metallisch durchdringende Weise niemals eine Antwort schuldig bleibt. Und zwischen all diesen so ehern Gewappneten der nette Herr Rösler, den sich ein paar weniger nette Leute ganz offensichtlich zum Opfer auserkoren haben. Zum Sündenbock. Sein Blut sollte fließen, auf dass sie gerettet würden. Die Verachtung ihm gegenüber sollte den Respekt vor ihnen aufpolieren.

Kein bisschen Solidarität, nirgendwo. Zum Abschuss freigegeben. Philipp Rösler ganz unten, und das Nachtreten wollte kein Ende nehmen. Menschen und Medien, Parteifreunde und Parteifeinde in einer Art Hexenjagd wie selbstverständlich vereint. Haut den Lukas, haut diesen exotischen Schönling, der keiner ist von uns und auch keiner von allen anderen. Ein Fremdling. Nieder mit ihm. Fast schien es so, als fürchte, wer sich diesem Dreinschlagen nicht anschloss, selbst zum politisch Aussätzigen zu werden. Dabei hatte der Delinquent doch weder gegen Gesetze noch gegen Sitten verstoßen. Es war nur seine seltsame Sanftmut, welche die Brutalität herausforderte und anhaltend ermutigte. Und schwang in all dem rudelhaften Niedermachen nicht auch noch etwas besonders Abscheuliches mit: ein winzigkleiner, klammheimlicher, natürlich niemals ausgesprochener Rassismus?

Eine gewisse Bewunderung für den Coup

Das sieht seit Sonntagabend nun um ein Quäntchen anders aus, nachdem die FDP in Niedersachsen fast zehn Prozent eingefahren hat. Es ist aber nicht vorbei. Die Frage, ob er Parteivorsitzender bleiben kann, ist zwar für den Moment entschieden. Dennoch gilt vielen Liberalen und Beobachtern nicht Philipp Rösler, sondern der rhetorisch brillante Christian Lindner als der kommende Erlöser an der Spitze der FDP. Die Feindschaften unter den lieben Parteifreunden und ihrem jeweiligen Tross schwelen also weiter, und der öffentliche Schmäh weicht nur langsam einer gewissen Bewunderung für den unerwarteten Coup, mit dem Rösler seinen Parteifeind Brüderle bloßgestellt hat. Offenkundig haben ihn Gegner wie Anhänger unterschätzt. Gerade deshalb sind aber die entscheidenden Schlachten längst nicht geschlagen.

Bleibt die Frage, warum dieser nette Mensch sich das auch in Zukunft antun will. Es wird ja niemand gezwungen, in die Politik zu gehen oder dort auszuharren. Als Arzt hat er einen anständigen Beruf, kann sich und seine Familie ernähren. Zudem erweckt er nicht den Eindruck, von der schieren Macht besessen zu sein.

Was also hat ihn die vielen Demütigungen, die Schläge unter der Gürtellinie, die Treulosigkeit seiner Parteileute, die mangelnde Fairness allenthalben, die öffentliche Hatz ertragen lassen? Was treibt ihn auch jetzt noch an? Es kann nur dieser besondere Ehrgeiz sein, alle exotischen Wirkungen seiner Person wegzuwischen, welche die Umwelt ihm ständig zurückspiegelt. Wäre es anders, so hätte er nicht am Wahlabend bei jedem Auftritt und in jedem Interview so auffällig oft die Formel „meine Heimat Niedersachsen“ einflechten müssen. Ja, er ist ein Niedersachse. Kein Außerirdischer. Nun glaubt es doch endlich! Und ein gewiefter, machtbewusster Kämpfer, das ist er auch.