In einem Gespräch und mit eigenen Bildcollagen hat die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff im Marbacher Literaturarchiv erste Einblicke in ihre Werkstatt und in ihren Dante-Roman „Das Pfingstwunder“ gegeben.

Marbach - Sibylle Lewitscharoffhat einen Dante-Roman geschrieben, schickt 34 gelehrte Verehrer des Dichters durch Himmel, Hölle, Fegefeuer. „Das Pfingstwunder“ heißt dieser Roman; er wird im September erscheinen. Während sie an ihm arbeitete, hat Lewitscharoff sich mit allen fünfzig Übersetzungen von Dantes „Göttlicher Komödie“ ins Deutsche auseinandergesetzt. Sie hat Notizbücher mit ihrer klaren Schrift und zahlreichen Collagen gefüllt, hat aus Papier, Metall und Holz fünf Szenen aus der Hölle und dem Fegefeuer nachgebaut. All das ist nun im Fluxusraum des Literaturmuseums der Moderne in Marbach zu sehen. Am Donnerstagabend eröffnete die Ausstellung, Sibylle Lewitscharoff sprach mit dem Dante-Kenner Karlheinz Stierle: ein Abend der Schwärmer, der die Faszination des italienischen Klassikers auch jenen eröffnete, denen das Original der „Divina Commedia“ unzugänglich ist.

 

Denn Dantes Werk, so erfuhr man hier, ist von Reimen, Symmetrien, Echos und Zahlenspielen bestimmt und erschließt sich in Übersetzungen nur unvollkommen. Prosaübertragungen verachtet Lewitscharoff. „Die können nicht mehr dichten“, sagt sie, weiß aber auch sehr gut, dass Dante im Versmaß auf Deutsch nicht wirklich funktionieren kann. „Es gibt eine ganze Reihe von Übersetzungen, die weder korrekt noch poetisch sind“, erklärt Karlheinz Stierle - und Lewitscharoff stimmt ihm zu. Für Stierle käme ein idealer Text allenfalls zustande, würden die besten der deutschen Übersetzer jeweils wenige Verse als Mosaikstücke zu einer großen Dante-Hommage beisteuern.

Die plastischen Arbeiten der Schriftstellerin zeigen Totenköpfe aus Papier

Sibylle Lewitscharoff hat sich bei ihrer ausufernden Lektüre die Mühe gemacht, all die Namen zu sammeln, die die Teufel in deutschen Dante-Fassungen tragen. Heike Gfrereis, die Leiterin des Marbacher Literaturmuseums, liest diese lange Liste vor, sehr amüsiert. „Der Deutsche“, sagt Sibylle Lewitscharoff dazu, „ist im Unflat eben einfach klasse.“

Die Büchner-Preisträgerin schätzt auch die Collage gering, sagt: „Das ist keine Kunst.“ Collagiert und gebastelt hat sie dennoch, inspiriert von Dante und mit großer Liebe zum Detail. Eines ihrer plastischen Bilder aus dem Inferno zeigt papierne Totenköpfe, die Säulen schmücken, über denen die berühmten Worte stehen, die den Eingang zu Dantes Höllenstadt markieren - „Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate“ - „Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren“. Eingefügt als Zeichen einer sehr diesseitigen Hölle hat sie diesem Bild die Fingerabdrücke Adolf Eichmanns.

„Im Labyrinth der Kreise: Aus einer Dante-Roman-Werkstatt“ ist der Titel des marbachermagazins, das die Ausstellung im Fluxusraum des Literaturmuseums begleitet. Die Notizbücher und Papierarbeiten Sibylle Lewitscharoffs sind in ihm abgebildet.