Der Anschlag von Berlin 2016 steckt noch in den Köpfen aller Weihnachtsmarkt-Organisatoren. Als Reaktion wurden dieses Jahr unter anderem Betonhindernisse in Zufahrtsstraßen platziert. Auch die Polizei verstärkt ihre Präsenz.

Stuttgart - Wachsam sein, aber die Freude an den Weihnachtsmärkten bewahren – so lautet der politische Appell zum Start der großen Weihnachtsmärkte. Denn der Anschlag von Berlin 2016 steckt noch in den Hinterköpfen aller Weihnachtsmarkt-Organisatoren. Hier die wichtigsten Fragen im Überblick.

 

Wie hoch ist die Bedrohung durch Anschläge?

Nach Angaben der Landespolizei gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine konkrete Anschlagsgefahr. Abstrakt, so heißt es, sei sie dennoch vorhanden. „Eine hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben“, sagt der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) dazu. Deshalb werde die Polizeipräsenz auf allen Weihnachtsmärkten dieses Jahr erhöht. Jeder, der Freude an Weihnachtsmärkten habe, so Strobl, solle „diese auch mit Freude weiterhin besuchen“. Auch der Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) appellierte an alle Deutschen, „achtsam aber nicht furchtsam“ zu sein – trotz „erhöhter Terrorgefahr“.

Was tun die Städte zur Verhinderung von Anschlägen?

Der Lastwagen oder das Auto als Terrorwaffe steht im Mittelpunkt der Überlegungen. So werden in den Zufahrtsstraßen fast aller großen Märkte dieses Jahr Betonpoller, Steine oder Barken platziert. Das meiste Material stammt von den kommunalen Betriebsbauhöfen. Weitere Städte setzen zusätzlich Autos ein, die gezielt als Hindernisse im Innenstadtbereich vorgefahren werden. Die Stadt Schwetzingen mietet zu diesem Zweck sogar zwei Fahrzeuge einer Sicherheitsfirma an – einschließlich Fahrer. Die Schwetzinger haben zudem in 70 neue, 80 Zentimeter hohe Leitwände aus Kunststoff investiert. Ob sie einen rasenden Lastwagen aufhalten könnten, scheint allerdings fraglich. Denn die Plastikelemente werden mit Wasser gefüllt. In Ulm wird der Markt auf dem Münsterplatz erstmals auch während der Nachtstunden ausgeleuchtet. Für den Fall eines Stromausfalls wurde in der Donaustadt jeder dritte Stand mit einer Akku-Notbeleuchtung ausgestattet. Auch Esslingen schützt das Markttreiben mit Betonbarrieren. In Ludwigsburg haben die Marktorganisatoren ihre mobilen Sperren, die bis zu 7,5 Tonnen schwere rasende Lastwagen aufhalten können sollen, zugunsten der Feststimmung mit weihnachtlichen Motiven beklebt und mit Zweigen behängt.

Werden Waffeln und Glühwein teurer?

Wohl nicht. Der verstärkte Einsatz von Polizeibeamten sei staatliche Aufgabe und damit für die Markorganisatoren kostenlos, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Die Stadt Ulm hält in diesem Jahr ihre Standgebühren für die Marktanbieter stabil. Sie liegen im Bereich des allgemeinen Verkaufs bei 86 bis 90 Euro pro Quadratmeter für die gesamte Marktzeit, im Segment Imbiss bei 130 bis 275 Euro. Nebenkosten sind nicht enthalten. Auch Schwäbisch Gmünd schlägt den Marktbeschickern nichts drauf. Ein Sprecher des dortigen Rathauses begründet das unter anderem damit, dass unter den Marktbeschickern auch Vereine seien, die ihre Dienstleistungen für gute Zwecke erbringen würden. Inoffiziell heißt es zudem unter Marktorganisatoren, deutliche Preisaufschläge könnten zum Rückzug diverser wichtiger Marktbeschicker führen. Glasbläser etwa, die ihre Ware vor Publikum herstellten, hätten aufgrund des hohen Aufwands schon bisher niedrige Gewinnmargen, seien aber für die Gesamtstimmung äußerst wichtig.

Stockt die Polizei ihr Personal auf?

Ja, aber mit Einzelheiten halten sich die Behörden zurück. Am Dienstag hat das Stuttgarter Landespolizeipräsidium einen mehrseitigen „Rahmenbefehl“ an sämtliche Präsidien im Land verschickt. Die Einzelheiten gelten als interne Verschlusssache. Ein Sprecher von Innenminister Strobl bestätigt, dass die Dienstellen angehalten wurden, verstärkt Beamte einzusetzen und Sicherheitsmaßnahmen im engen Austausch mit den Marktorganisatoren umzusetzen. Kommt es zu Krankheitsfällen oder personellen Engpässen bei den Dienststellen, können diese sehr schnell zusätzliche Kräfte beim Polizeipräsidium Einsatz mit Sitz in Göppingen anfordern. Aus den lokalen Mitteilungen der Polizeipräsidien lassen sich weitere Maßnahmen ablesen. So kündigt das Polizeipräsidium Ludwigsburg verstärkte Präventionsmaßnahmen an – auch in Gaststätten und bei den Standbetreibern selbst. Aus Ulm ist bekannt, dass die Polizei zur Marktzeit vier zusätzliche Doppelstreifen auf die Straße schickt. Die Polizei in Freiburg verrät, dass sie auch Beamte in Zivilkleidung einsetzt. Anlassunabhängige Taschenkontrollen nehmen Polizeibeamte im Land übrigens nicht vor. Möglich ist das aber durch die Wachleute privater Sicherheitsfirmen. Sie sind auf praktisch allen großen Märkten im Südwesten präsent, halten die Augen auf und verstärken damit die Arbeit der Polizei.

Gibt es auch Verweigerer der Aufrüstung?

Einige Rathäuser wollen keine martialischen Poller oder Barrieren. So bleibt die Heidelberger Altstadt nach Absprache unter den zuständigen Ämtern frei von Hindernissen – lediglich vorgelagert, beim Karlsplatz, stehen zwei Betonbarrieren. Im Zugangsbereich des ältesten Weihnachtsmarktes Deutschlands in Bad Wimpfen liegen ebenfalls Betonsteine, aber insgesamt, so der Bad Wimpfener Marktmeister, treibe man „nur wenig Aufwand“ für die Sicherheit. Einen privaten Sicherheitsdienst während der Nachtstunden gibt es dann aber doch. Der Bad Wimpfener Markt geht bis ins Jahr 1482 zurück. Die größte Gelassenheit legt die Stadt Freiburg an den Tag. Auf Poller, Container oder andere Hindernisse wird ganz verzichtet. Offene Augen sollen genügen. Laut einer Polizeisprecherin habe man die neuralgischen Punkte, wo Zufahren zum Weihnachtsmarkt möglich sind, fest im Blick.

Sind die Deutschen besonders ängstlich?

Wohl kaum. Zum Vergleich: Im französischen Straßburg setzt die Stadt beim Weihnachtsmarkt schwer bewaffnete Nationalpolizisten und Soldaten ein.