Wenn man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, beschleicht manche, vor allem nachts, ein mulmiges Gefühl. Was kann man im Ernstfall tun?

Es ist zwar viel seltener, als die meisten glauben, doch es kommt vor: Gewalt und Belästigung in öffentlichen Verkehrsmitteln. Wie verhält man sich da richtig, wie kann man sich schützen? Eine neunte Klasse des Friedrich-Schiller-Gymnasiums weiß das nun. Denn am Donnerstag hat das Polizeipräsidium sie und ihren Lehrer zu einem Workshop in einem am Westausgang des Bahnhofs geparkten Bus eingeladen. Die Jugendlichen wirken recht cool, doch mit gezielten Fragen entlockt die Polizeioberkommissarin Ilona Gerstung ihnen nach und nach, wo und wann sie sich vielleicht unsicher fühlen.

 

In fremder Umgebung beispielsweise, wenn es dunkel ist – oder „wenn man sieht, welche Leute dort abhängen“, meint ein Schüler. „Aber wovor habt ihr da konkret Angst?“, will Gerstung wissen. „Dass die mich angehen“, „dass man in einen Konflikt reingezogen wird“, „dass einem was geklaut wird“, so einige der Antworten. Und was tut man dann, um das Risiko für sich zu minimieren? „In Gruppen unterwegs sein“, „böse aussehen“, „nicht durch gefährliche Gebiete gehen“ – ja, das könne man machen, meint die Expertin. Ein weiterer Rat: Man solle nicht zur Schau stellen, wenn man etwas Wertvolles dabei habe. Fest stehe jedoch: „Es gibt kein Patentrezept, um überall hundertprozentig sicher zu sein, aber kleine Dinge, die man verändern kann.“ Ein wichtiger Punkt sei die Aufmerksamkeit. „Wenn ihr mit eurem Handy beschäftigt seid oder laut Musik hört, bekommt ihr nichts mit. Also haltet zumindest mal ein Ohr frei“, empfiehlt Gerstung. Auch zur Wahl des Sitzplatzes gibt es Tipps: Im Bus ist es neben dem Fahrer sicherer als hinten, am Gang sitzt man besser als am Fenster, weil dann niemand im Weg ist oder verhindern kann, dass man den Platz wechselt. Das probieren die Schüler selbst gleich aus. Bei der S-Bahn ist ein Platz in Türnähe empfehlenswert. Dann kann man schnell aussteigen oder über die Sprechanlage mit dem Fahrer Kontakt aufnehmen.

Augen auf bei der Sitzplatzwahl

Vermeidung ist besser als Verteidigung

„Es ist immer die beste Lösung, kritische Situationen zu verlassen“, rät die Präventionsexpertin eindringlich. „Körperliche Gegenwehr ist das letzte Mittel.“ Und dabei müsse die Verhältnismäßigkeit gegeben sein. „Wenn mich jemand übel beleidigt, darf ich dem nicht die Faust ins Gesicht hauen; das wäre Körperverletzung.“ Einer der Schüler findet es dagegen völlig in Ordnung, auf jemanden loszugehen, weil der einen am Tag zuvor verprügelt hat. „Ich geh mal davon aus, das war ein Gag“, meint die Polizistin. Denn auch das falle unter Körperverletzung. Allerdings werde dies gerade von Jugendlichen oft falsch eingeschätzt. Ebenso wie die vermeintliche Sicherheit durch eigene Bewaffnung, und sei es auch „nur“ mit Pfefferspray. Davon rät sie ab. Man müsse damit umgehen können, und es könne leicht gegen einen selbst verwendet werden. Zudem sei es auch schon vorgekommen, dass es Frauen voreilig eingesetzt hätten, nur weil sie jemand bei Nacht nach dem Weg gefragt habe.

Und was ist mit der Nothilfe? Sollte man eingreifen, wenn ein anderer in Bedrängnis ist? Hier dürfe man wie bei der Notwehr verhältnismäßige Gewalt anwenden, solle sich aber nicht selber in Gefahr bringen. Lieber die 110 wählen und sich besondere Merkmale des Angreifers einprägen.

Das A und O jedoch, damit man möglichst gar nicht in kritische Situationen kommt: „Seid selbstbewusst, zeigt eure mögliche Angst nicht, macht euch groß.“ Und falls alles nichts bringe, solle man nicht allgemein um Hilfe rufen, sondern gezielt einzelne Personen ansprechen. Warum? Ein Schüler kennt die Antwort: „Weil sonst jeder denkt, der andere hilft.“

Am Ende ist die Präventionsexpertin recht zufrieden mit dem Workshop. „Auch wenn nicht alle mitgemacht haben, sie haben es gehört, und das hilft schon viel.“

d