In Beilstein im Kreis Heilbronn droht der Verwaltungssitz zu zerfallen. Die Frage ist, ob Kommunen im Landkreis Ludwigsburg mit einem ähnlichen Szenario rechnen müssen.
Die Nachricht wurde in den vergangenen Tagen bekannt und muss ein Schock für alle Mitarbeiter, die Bürgermeisterin Barbara Schoenfeld und den ganzen Gemeinderat gewesen sein: das Fachwerk-Rathaus in Beilstein im Landkreis Heilbronn ist in einem so kläglichen Zustand, dass die Fassade laut Verlautbarung der Stadt mit Balken und Gittern notgesichert werden muss. Ein Gerüst soll Fußgänger vor herabfallenden Mauerstücken schützen. Außerdem solle das Gebäude nach Anraten einer Ingenieurin so schnell wie möglich – „auch um Personenschäden zu vermeiden“ – geräumt werden, was innerhalb der nächsten Monate realistisch sei, erklärt Barbara Schoenfeld. „Die Balken an der vorderen Fassade sind vor allem im Giebelbereich so stark verwittert und schadhaft, dass sie die Gefache nur noch bedingt halten können“, heißt es auf der Homepage.
Die Frage ist nun, ob auch so mancher Bürgermeister im Landkreis Ludwigsburg quasi in einer tickenden Zeitbombe residiert. Denn pittoreske, aber eben auch jahrhundertealte Verwaltungssitze sind auch hier beileibe keine Seltenheit. Wie in Marbach. Bürgermeister Jan Trost gibt allerdings Entwarnung. „Unsere Verwaltungsgebäude sind alle in gutem bis neuwertigem Zustand und werden von meinen Kollegen vom Bauamt regelmäßig kontrolliert“, beteuert er. Das historische Rathaus, in dem Trost selbst sein Arbeitszimmer hat, sei 1989 kernsaniert worden. Das direkt angrenzende Gebäude, Marktstraße 25, sei in den 2000er Jahren bis auf die Fassade zur Fußgängerzone neu errichtet worden. Und das neue, dritte Rathausgebäude gegenüber sei ja generell erst vor wenigen Jahren gebaut worden.
Lediglich die Verwaltungsstelle im Stadtteil Rielingshausen sei sanierungsbedürftig, „aber weit entfernt von den geschilderten Zuständen in Beilstein, dass dort eine Räumung ansteht“, erklärt Trost.
Sanierung der Unteren Kelter in Markgröningen steht an
Ebenfalls über mehrere Standorte verteilt sind Ordnungsamt, Bauamt und Co. in Markgröningen. Das Team wirkt in einem Gebäude aus den 1980er Jahren, der im 17. Jahrhundert entstanden Unteren Kelter und dem malerischen Rathaus, das schon Mitte des 15. Jahrhunderts errichtet wurde. „Unser Rathaus und auch die beiden anderen Gebäude sind nutzbar“, beruhigt der Stadtbaumeister Klaus Schütze. „Das alte Rathaus hat eine sehr gute Substanz, was das Fachwerk angeht. Dafür wurde Eichenholz aus dem Stromberg verbaut. Das ist sehr robust“, erklärt Schütze.
Bei der Außenhülle, die sich allem Anschein nach in Beilstein als großes Sorgenkind entpuppt habe, bestehe in Markgröningen ebenfalls kein Anlass zur Sorge. Die Fassade sei vor 19 Jahren saniert worden. „Man muss bei so einem alten Gebäude natürlich von Zeit zu Zeit dies und jenes tun, aber aktuell haben wir keine sicherheitsrelevanten Probleme“, fasst Schütze zusammen.
Er will aber auch nicht verhehlen, dass das Gebäude perspektivisch umfassend in Schuss gebracht werden müsse. Gleiches gelte für die Untere Kelter, deren Sanierung zunächst an der Reihe sei und wofür von 2025 bis 2027 ein Millionenbetrag in die Hand genommen werde. „Weil es sich um ein Sanierungsgebiet handelt, bekommen wir aber hohe Zuschüsse vom Land für diese Vorhaben“, betont Schütze.
Die Gebäude profitieren von der Digitalisierung
Entwarnung gibt auch der Großbottwarer Bürgermeister Ralf Zimmermann, dessen Amtssitz im 16. Jahrhundert gebaut wurde. „Das Rathaus wurde 1988/89 generalsaniert. Und das hat man damals richtig gut gemacht. Davon profitieren wir heute noch“, sagt er. Kleinigkeiten müssten selbstredend bei so einem alten Gebäude hin und wieder ausgebessert und die Fassade irgendwann in den nächsten fünf bis acht Jahren gestrichen werden. Außerdem überprüfe ein Statiker regelmäßig die Traglast und interveniere beispielsweise wenn zu viele Akten in einem Raum gelagert sind. „Aber die Papierbestände werden perspektivisch mit der Digitalisierung zurückgehen“, sagt Zimmermann. „Man sollte zwar nie etwas ausschließen, aber im Moment müssen wir uns wegen des Rathauses keine Sorgen machen“, fasst er zusammen.
Anders dagegen seine Kollegin in der Nachbarkommune Beilstein. Dort müsse nun geklärt werden, ob überhaupt und wenn ja wann das marode Rathaus auf Vordermann gebracht wird, erklärt Barbara Schoenfeld. Dazu brauche man aber noch Informationen. Und letztlich müsse der Gemeinderat entscheiden, „ob das Fachwerkhaus als Rathaus saniert und damit auch technisch erneuert werden soll oder ob es einen neuen Standort für ein Verwaltungsgebäude geben soll. In diesem Fall wäre eventuell auch eine Bürgerbeteiligung angebracht.“
Spekulation über die Qualität
Notzeit
Das Beilsteiner Rathaus wurde 1598 erbaut, brannte 1693 beim Einmarsch der Franzosen nieder. Das heute marode Fachwerk-Rathaus wurde von 1706 bis 1712 auf den Grundmauern des Vorgänger-Gebäudes wieder errichtet. „Man muss davon ausgehen, dass noch zehn Jahre nach der weitgehenden Zerstörung des Städtchens eine Notzeit war“, erklärt Ortshistoriker Dietmar Rupp. Bauholz sei sicher knapp gewesen, insofern könne man auch über die Qualität des damaligen Materials spekulieren.
Verputzt
Dietmar Rupp kann sich zudem vorstellen, dass die Problematik schon früheren Generationen aufgefallen war. „Und deshalb hat man dann im Nachgang die Giebel verputzt, um sie zu schützen“, erklärt er. Die Giebel-Verblendung wurde 1774 oder 1775 ausgeführt, in den Jahren 1906/1907 das Gebäude neu verputzt. Freigelegt wurde das Fachwerk schließlich wieder im Jahr 1935.