Der Schwabe Wolfgang Ischinger hat die Münchner Sicherheitskonferenz groß gemacht. Aber nicht nur die Lobbyvorwürfe gegen ihn zeugen von der Reformbedürftigkeit der Veranstaltung – das zeigt auch eine reine Männerrunde von Wirtschaftsvertretern.
München - Es hätte sein großes Finale werden sollen. Der 1946 im Kreis Nürtingen geborene Wolfgang Ischinger wollte die letzte Münchner Sicherheitskonferenz unter seiner Leitung zu einer besonderen machen. Der frühere deutsche Botschafter in London und Washington träumte von einem vollen Haus ohne Corona-Einschränkungen. Er träumte von einem Beitrag zum Frieden in Europa, der durch direkte Gespräche zwischen Russland und dem Westen in München geleistet werden könnte. Persönlich träumte er wohl auch von einer gebührenden Verabschiedung.
Die jüngsten Enthüllungen des „Spiegel“ verliehen dem Ende der Ära Ischinger einen faden Beigeschmack
Die einst Wehrkundetagung genannte Veranstaltung hatte sich schon etabliert, als Ischinger 2008 den Vorsitz übernahm. Aber erst er machte die „MSC“, die „Munich Security Conference“, zu dem, was sie heute ist, einem Stelldichein des Who is Who der internationalen Politik. Stolz prangt auf der Internetseite ein Zitat von US-Präsident Joe Biden: „Wie kein anderes globales Forum verbindet München europäische Anführer und Denker mit ihren Gegenübern aus aller Welt.“
Kanzler Olaf Scholz dankte Ischinger ebenfalls. Der erhielt auch stehende Ovationen, als er zum Abschluss ein für ihn geschriebenes Buch über „Die Kunst der Diplomatie“ überreicht bekam. Trotzdem verliehen die jüngsten Enthüllungen des „Spiegel“ dem Ende der Ära Ischinger einen faden Beigeschmack. Er soll über die von ihm mitgegründete Beratungsfirma Agora Strategy Group an der Sicherheitskonferenz verdient haben, indem etwa der deutschen Rüstungsfirma Hensoldt, für die Ischinger überdies als Aufsichtsrat fungiert, angeboten wurde, MSC-Teilnehmer für die „Durchführung eines Side Events“ auszuwählen. Bei einem Geschäftsabschluss sollte für Agora eine Provision fällig werden, wodurch diese Nebenveranstaltungen oder Hinterzimmertreffen am Rande der eigentlichen Veranstaltung durchaus lukrativ gewesen sein könnten.
Ischinger wollte die Konferenz „moderner“ und „diverser“ machen
Obwohl Ischinger das bestreitet, muss sein von den Vorwürfen überraschter Nachfolger Christoph Heusgen, einst außenpolitischer Berater von Kanzlerin Angela Merkel, nun möglicherweise auch die Strukturen der nach Stiftungsrecht organisierten Konferenz unter die Lupe nehmen. Geht es allein um die Person Ischinger oder ist auch das Geflecht aus Sponsoren aus der Wirtschaft generell zu hinterfragen?
Zumindest ein „Side Event“ hat auch dieses Jahr für Negativschlagzeilen gesorgt. Während auf den Hauptveranstaltungen mit den deutschen Ministerinnen Annalena Baerbock, Christine Lambrecht, Svenja Schulze oder US-Vizepräsidentin Kamala Harris Frauen zentrale Akteurinnen waren, bot ein „CEO Lunch“ mit Wirtschaftslenkern ein völlig anderes Bild. Das Foto der reinen Männerrunde mit gut zwei Dutzend Teilnehmern löste in den sozialen Medien einen Sturm der Entrüstung aus. Ischinger sagte dazu, er habe es sich in den vergangenen 14 Jahren zur Aufgabe gemacht, die Konferenz „moderner“ und „diverser“ zu machen. Auf der großen Bühne ist das gelungen, die Reformbedürftigkeit der Nebenveranstaltungen aber liegt offen zutage.