Im Notrufsystem der Bahn in Baden-Württemberg gibt es größere Sicherheitsmängel als bisher bekannt. Nach Recherchen von StZ und SWR hat das digitale Notrufsystem landesweit 52 Funklöcher. Lokführer können bei extremen Gefahren nicht sofort informiert werden.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Im Notrufsystem der Deutschen Bahn in Baden-Württemberg gibt es noch größere Sicherheitsmängel als bisher bekannt. Nach Recherchen der Stuttgarter Zeitung und das SWR Fernsehens hat das digitale Notrufsystem landesweit 52 Funklöcher, wodurch Lokführer bei extremen Gefahren nicht sofort informiert werden können.

 

Die Sicherheitslücken, die bundesweit existieren, würden von der Deutschen Bahn, dem Eisenbahnbundesamt (EBA) und dem Bundesverkehrsministerium bereits seit Jahren geduldet, berichten beide Medien. Der für Notrufe vorgesehene GSM-R-Funk sei allein im Südwesten in dieser Woche auf insgesamt 58,7 Kilometern ganz oder zeitweise unterbrochen. Die Bahn und das EBA bestreiten die Sicherheitsprobleme.

Streckenmängel-Listen als Beweis

Eine besondere Gefahr hat den Berichten zufolge am Dienstag und Mittwoch auf der viel befahrenen ICE-Rheintalstrecke zwischen Achern und Offenburg bestanden. Obwohl dort Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h zugelassen sind, habe es auf fast 19 Kilometern keine Möglichkeit gegeben, in möglichen Notfällen den dafür vorgesehenen GSM-R-Funk zu nutzen. Beiden Medien liegen als Beweis die aktuell gültigen Streckenmängel-Listen der DB Netze vor.

Auch ICE-Strecke Stuttgart-Ulm betroffen

Gefährliche Funklöcher im Notrufsystem bestehen laut Stuttgarter Zeitung und SWR Fernsehen auch auf der ICE-Strecke Stuttgart-Ulm. Hier gebe es bereits seit 2009 fünf Funklöcher mit einer Länge von jeweils 400 bis 800 Metern. Besonders brisant sei zudem, dass auch an etlichen eingleisigen Strecken in Baden-Württemberg ein lückenloser Zugfunk und Notruf fehle.

Eingleisig ist auch die Strecke zwischen Bad Aibling und Kolbermoor in Bayern, wo am 9. Februar bei einer Kollision von zwei Zügen elf Menschen ums Leben kamen. Um die Katastrophe in letzter Sekunde vielleicht noch zu verhindern, hatte der beschuldigte Fahrdienstleiter im Stellwerk den Ermittlern zufolge per Funk zwei Notrufe an die Lokführer abgegeben, die jedoch ins Leere gingen. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft, ob ein Funkloch der Grund dafür war.

Der SWR berichtet heute Abend in der Sendung „Zur Sache Baden-Württemberg“ (Beginn: 20:15 Uhr), die Stuttgarter Zeitung in der Freitag-Ausgabe.