Plötzlich stürmte ein Mann auf den Kanzler zu – um ihn zu umarmen. Was am Mittwochabend passierte, klingt harmlos. Doch es handelt sich um einen ernsten Vorfall.

Berliner Büro: Rebekka Wiese (rew)

Fährt ein Mann zum Flughafen und umarmt den Bundeskanzler: Was zunächst harmlos klingt, ist eine ernste Sicherheitspanne, die sich am Mittwochabend am Flughafen von Frankfurt ereignet hat. Wie am Freitag bekannt wurde, gelang es einem Mann, sich Olaf Scholz trotz aller Schutzvorkehrungen auf dem Rollfeld zu nähern und ihn an sich zu drücken. Zuerst hatte die „Bild-Zeitung“ darüber berichtet, später bestätigte ein Regierungssprecher den Vorfall.

 

Dem Bericht zufolge war Olaf Scholz auf dem Rückweg vom Frankfurter Sitz der Europäischen Zentralbank. Demnach schloss sich der Mann mit seinem Auto dem Sicherheitskonvoi des Kanzlers unbemerkt an. Obwohl sein Autokennzeichen nicht angemeldet war, konnte er mit den anderen Fahrzeugen die Kontrolle am Flughafen passieren.

Überraschter Kanzler

Auf dem Rollfeld blieb Olaf Scholz laut dem Bericht länger im Wagen sitzen als die anderen Mitglieder seiner Delegation, weil er noch telefonierte. Als er seine Limousine verließ, rannte der Unbekannte auf Scholz zu, schüttelte ihm die Hand und umarmte ihn herzlich. Scholz sei so überrascht gewesen, dass er den Mann einfach gewähren ließ, hieß es. Erst dann seien die Personenschützer aufmerksam geworden und hätten den Mann festgenommen. Der ließ sich widerstandslos abführen.

Das Motiv des Mannes ist unklar

Bei dem Mann soll es sich um einen 48-Jährigen handeln. Ob er spontan handelte oder was ihn antrieb, ist unklar. Aber wie konnte das passieren? Für die Sicherheit des Bundeskanzlers ist die Abteilung „Sicherungsgruppe“ des Bundeskriminalamts (BKA) zuständig. Zu ihren Aufgaben gehört, den Kanzler auf Reisen zu begleiten und zu schützen. Auf Nachfrage dieser Zeitung bestätigte das BKA den Vorfall. Man bitte um Verständnis, dass „aus polizeitaktischen Gründen keine weiteren Auskünfte zu konkreten Personenschutzmaßnahmen“ erteilt werden könne, heißt es in der Antwort.

BKA in der Verantwortung

Es stellt sich auch die Frage, weshalb das Sicherheitspersonal des Flughafens ein Fahrzeug durch die Sicherheitsschranke ließ, dessen Kennzeichen nicht als Teil des Konvois angemeldet war. „Wir unterstützen die Untersuchung des Vorfalls vollumfänglich“, sagte ein Sprecher des Flughafenbetreibers dieser Zeitung. Zu einzelnen Vorfällen könne man aber nichts sagen.

„Unverzeihlicher“ Vorfall

LKA sieht sich nicht zuständig

Das hessische Landeskriminalamt (LKA) sieht sich nicht in der Verantwortung. Hessische Landespolizisten hatten den Sicherheitskonvoi mit Einsatzkräften begleitet. „Unsere Zuständigkeit endet mit der Auffahrt auf den Flughafen“, sagte eine LKA-Sprecherin dieser Zeitung. Dass sich das zusätzliche Fahrzeug der Regierungskolonne laut dem Bericht schon während der Fahrt zum Flughafen angeschlossen hatte, wollte sie nicht kommentieren.

Klar ist, dass es sich bei dem Vorfall um eine gefährliche Situation handelte – auch wenn er friedlich verlief. Doch der Mann hätte auch ein bewaffneter Attentäter sein können. Das betont auch Marcel Kuhlmey im Gespräch mit dieser Zeitung. Er ist Professor am Fachbereich für Polizei und Sicherheitsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. „So ein Vorfall ist höchst unprofessionell – und unverzeihlich“, sagte Kuhlmey.

„Schockierend“

Es seien offenbar mehrere Fehler gleichzeitig passiert. So hätte es dem unbekannten Fahrzeug nicht möglich sein dürfen, sich der Kolonne anzuschließen – oder gar durch die Sicherheitskontrolle auf den Flughafen zu kommen. „Eigentlich müssen die Personenschützer vor dem Kanzler aussteigen und ihn sichern“, sagte Kuhlmey weiter. Er bezeichnete den Vorfall als „schockierend“ und betonte, wie außergewöhnlich er sei: „Normalerweise passiert so was gar nicht.“ Die Regierung zeigte sich indes unaufgeregt. Auf der Pressekonferenz am Freitag sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner eher trocken: „Die Begegnung hatte der Bundeskanzler so nicht geplant. Insofern war es auch für ihn überraschend.“