Der US-Flugzeugbauer Boeing steht nach zwei Abstürzen innerhalb von weniger als einem halben Jahr ohnehin schon massiv in der Kritik. Nun gerät der Konzern weiter in Erklärungsnot. Angeblich gibt es nicht nur bei den Unglücksfliegern vom Typ 737 Max Sicherheitsrisiken.

New York - Ein Bericht über angebliche Mängel bei der Produktion des Langstreckenjets 787 „Dreamliner“ bringt den US-Luftfahrtriesen Boeing weiter unter Druck. Der „New York Times“ (Sonntag) zufolge hat der Konzern in den vergangenen zehn Jahren wiederholt Hinweise auf Sicherheitsrisiken erhalten, diese jedoch teilweise ignoriert. Die Zeitung beruft sich auf Hunderte Seiten an internen E-Mails, Dokumente des Unternehmens und Unterlagen von Behörden sowie Interviews mit mehr als einem Dutzend Mitarbeitern.

 

Konkret geht es demnach um teilweise massive Sicherheitsbedenken bei der „Dreamliner“-Herstellung in Boeings Werk in North Charleston im US-Bundesstaat South Carolina. Hausgemachte Probleme wie überhöhter Produktionsdruck und mangelnde Qualifikation von Mitarbeitern sollen angeblich zu gefährlichen Mängeln bei der Fertigung geführt haben. So seien etwa Metallspäne nicht ordentlich beseitigt und defekte Teile in den Fliegern installiert worden, heißt es in dem Bericht.

Probleme mit Metallspänen

Boeing wies die Vorwürfe zurück. Das Unternehmen produziere im Werk in South Carolina auf dem höchsten Qualitätsniveau seiner Geschichte, erklärte Boeings Leiter der Verkehrsflugzeugsparte, Kevin McAllister. Werksleiter Brad Zaback kritisierte den Zeitungsbericht später in einer E-Mail an die Mitarbeiter: Der Artikel zeichne ein „verzerrtes und fehlerhaftes Bild“, er enthalte „verdrehte Informationen“ und wärme alte Gerüchte wieder auf, die längst entkräftet worden seien.

Dem stehen der „New York Times“ zufolge jedoch fast ein Dutzend Berichte von Whistleblowern und Sicherheitsbeschwerden bei Aufsichtsbehörden entgegen. „Ich habe meiner Frau gesagt, dass ich niemals damit fliegen würde. Es ist eine Frage der Sicherheit“, zitiert die Zeitung einen Boeing-Techniker aus dem Werk in North Charleston zum „Dreamliner“. Probleme mit Metallspänen bestätigte dem Blatt zudem auch ein Sprecher der US-Luftfahrtbehörde FAA.

Zwei Abstürze in kurzer Zeit

Boeing steht nach zwei Abstürzen seiner bestverkauften Baureihe 737 Max binnen weniger Monate bereits stark in der Kritik. Nach ersten Ermittlungsberichten gilt ein Herstellerfehler bei einer Steuerungssoftware als möglicherweise entscheidende Ursache für die Unglücke in Indonesien und Äthiopien mit insgesamt 346 Todesopfern. Nach den Unfällen wurden weltweit Flugverbote für die 737-Max-Serie verhängt. Bis die Maschinen wieder abheben dürfen, werden wohl noch mindestens drei weitere Monate vergehen.

Denn die FAA kündigte zu einer möglichen Wiederzulassung am Freitag eine auf 90 Tage angelegte Testphase an, die am 29. April beginnen soll. Insgesamt sollen daran zehn internationale Luftfahrtbehörden teilnehmen, neben den Amerikanern beteiligen sich Australien, Brasilien, Kanada, China, die EU, Japan, Indonesien sowie Singapur und die Vereinigten Arabischen Emirate. Boeing-Chef Dennis Muilenburg hatte sich am Donnerstag noch zuversichtlich gezeigt und von „laufenden Fortschritten“ beim Zertifizierungsverfahren gesprochen.