Im Stadtteil Kallenberg soll ein Wolf gewesen sein. Ein Ehepaar hat das Tier gefilmt. Jetzt haben Spürhunde das Gebiet durchforstet – und es gibt weitere Sichtungen. Experten sind skeptisch.

Korntal-Münchingen - Riga und Djemba heißen die Spürhunde. Sie haben nach der angeblichen Sichtung eines Wolfes im Stadtteil Kallenberg in Korntal-Münchingen am vorigen Samstag nun das Gebiet nach Spuren wie Haare oder Kot durchforstet. „Wenn die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass tatsächlich ein Wolf aufgetaucht ist, setzen wir Spürhunde ein, die auf Wolfshinweise trainiert sind“, erklärt Felix Böcker, Wildtierbiologe an der forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg (FVA). An der FVA gehen Informationen über Wolfssichtungen ein, die die Experten prüfen.

 

Im aktuellen Fall liegen ihnen ein Handyvideo sowie eine detaillierte Beschreibung des Tiers vor. Diana und Christian M. aus Schwieberdingen sind überzeugt davon, dass es ein Wolf war, den sie auf einem Feld in Kallenberg aus dem Auto heraus gesehen und gefilmt haben. Sie seien über die Autobahnbrücke gefahren, wo das Tier plötzlich vor ihnen gestanden sei. Nachdem sie über die Polizei verständigt hatten, filmten sie, wie das Tier hin- und hergelaufen ist. Polizeibeamte aus Ditzingen fuhren noch am selben Abend das Gebiet ab, fanden aber keine Spuren.

Die Kollegen von SWR1 zeigen auf ihrer Facebookseite ein Video, auf dem der Wolf zu sehen ist:

Auch Felix Böcker fehlen bislang die Beweise dafür, dass unweit der A 81 tatsächlich ein Wolf unterwegs war. Riga und Djemba, die seit drei Jahren auf Wolfshinweise trainiert werden, haben am Mittwochvormittag in Kallenberg keine entsprechenden Spuren gefunden. „Je früher wir Spuren nachgehen, desto besser. Mit der Zeit kann die Qualität der Proben nachlassen“, sagt Felix Böcker. Soll heißen: Nach vier Tagen, in denen es auch noch geregnet und gewindet hat, ist es höchst unwahrscheinlich, dass Hunde noch Spuren finden – selbst wenn ein Wolf dort welche hinterlassen hat.

Der kalte Wind, der am Mittwochvormittag über das Feld gefegt ist, erschwerte die Suche der Spürhunde. „Aufgrund des Winds kriegen die Hunde schwer Spuren in die Nase“, sagt Felix Böcker. Doch auch bei günstigeren Wetterbedingungen wären mehrere Tage alte Spuren kaum mehr nachzuweisen gewesen.

Böcker sagt, dass man bislang nichts ausschließen könne. Man müsse abwarten, was die Auswertung des Videos und die Befragung des Paars ergeben. Böcker rechnet Anfang nächster Woche mit einem Ergebnis. Grundsätzlich stellten sich viele der angeblichen Wolfssichtungen als Irrtum oder gar Fälschung heraus, zumal es nur selten Bildmaterial gebe. „Viele Wolfshunde sehen Wölfen zum Verwechseln ähnlich.“

Grundsätzlich sei es in Baden-Württemberg aber immer möglich, dass einzelne Wölfe auftauchten. „Wir erwarten seit Jahren Wölfe. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Tiere hier niederlassen“, sagt Felix Böcker. Momentan sei lediglich ein Individuum zweifelsfrei nachgewiesen.

„Untypisch in stark besiedelten Regionen“

Insgesamt zeigen sich Experten angesichts vieler vermeintlicher Wolfssichtungen skeptisch und halten sich mit ihrer Einschätzung zurück. Markus Rösler, der Wolfsbeauftragte des Naturschutzbundes (Nabu), hält den Wolf in Kallenberg zwar für möglich. „Es ist aber eher untypisch in einer so stark besiedelten Region.“ Der Stuttgarter Kreisjägermeister Peter Kopp meint: Es sei ihm suspekt, dass sich ein Wolf so nahe an ein Wohngebiet angenähert haben soll. Und der Ditzinger Revierförster Steffen Frank sagte unserer Zeitung: Dafür, dass es tatsächlich ein Wolf war, spreche, dass das Tier auf dem Video „nicht aussieht wie ein Schäferhund, sondern wie ein kräftiger, starker Wolf“. Doch nur eine DNA-Analyse liefere den Beweis, ob es sich um einen Wolf handelte.

Weitere Leser haben sich inzwischen bei unserer Zeitung gemeldet. Einer will bereits am 7. Januar gegen 19 Uhr an der B 295 zwischen Ditzingen und Stuttgart-Weilimdorf auf der Höhe eines Discounters in einem Graben einen Wolf gesehen haben. Er sei gerade langsamer gefahren, als er die „überraschende Beobachtung“ gemacht habe. „Das Tier war kleiner als ein Schäferhund und definitiv kein Fuchs.“ Offiziell gemeldet habe er seine Sichtung bislang nicht. Eine Leserin glaubt, vor etwa zwei Wochen beim Joggen am Tachenberger Tennisplatz beim Greutterwald einen Wolf entdeckt zu haben.

Untersuchungen nach Ziegenriss in Sersheim

Auch Polizisten wollen einen Wolf gesehen haben: Am vergangenen Sonntagmorgen beschäftigte eine tote Ziege die Polizei aus Vaihingen an der Enz – und dabei sahen die Beamten gegen 10 Uhr am südlichen Ortsrand von Sersheim angeblich einen Wolf. Erste Erkenntnisse liegen den Freiburger Experten dazu jetzt vor. Demnach habe die Untersuchung der Ziege ergeben, dass „ein großes hundeartiges Tier“ sie gebissen hat. „Es gibt auch Bisse im Halsbereich“, sagt Böcker – Bisse in die Kehle sind typisch für Wölfe. Eine genetische Untersuchung soll weitere Erkenntnisse liefern.