Sick mit Sitz in Waldkirch bei Freiburg ist einer der größten Sensorhersteller weltweit. Das Familienunternehmen, das 8000 Mitarbeiter beschäftigt, ist auch technologisch gut aufgestellt. 35 Prozent des Umsatzes werden mit neuen Produkten erzielt.

Stuttgart - Eine Maschine wird normalerweise erst nach fünf bis zehn Jahren ausgetauscht. Auch die Industrie 4.0 verkürzt diesen Zyklus nicht, erläutert Sick-Chef Robert Bauer. Die digitale Umrüstung ist ein längerfristiger Prozess.

 
Herr Bauer, Autoindustrie, Unterhaltungselektronik, Maschinenbau – kein Industriebereich kommt ohne Sensorik aus. Trotzdem ist Sick nur um sieben Prozent gewachsen.
Finden Sie das wenig?
Angesichts der enormen Bedeutung von Sensoren könnte man ein höheres Wachstum zumindest erwarten.
Sie müssen bedenken, dass wir keine Sensoren fertigen, die in autonom fahrenden Autos eingesetzt werden. Unser Thema ist die Automatisierung beispielsweise in Fabriken. Auch wenn derzeit jeder über die digitale Vernetzung redet, wird aber niemand den Maschinenpark in seiner Fabrik schlagartig internetfähig machen. Die Unternehmen müssen sich zunächst die technische Kompetenz aneignen. Das ist ein längerfristiger Prozess.
Wie lange wird die Umstellung dauern?
Eine Maschine wird frühestens nach fünf bis zehn Jahren ausgetauscht. So lange sind auch unsere Sensoren im Einsatz. Nur wegen Industrie 4.0 wird niemand diesen Investitionszyklus verkürzen. Die neuen Technologien werden Schritt für Schritt eingeführt – in der gleichen Größenordnung wie wir wachsen.
Alte und neue Maschinen arbeiten dann ja nebeneinander in einem Werk.
So ist es. In einer Fabrik müssen alte und neue Technologien aufeinander abgestimmt sein. Unsere Sensoren müssen in neuen genauso wie in den alten Maschinen funktionieren. Fachleute sprechen von Rückwärtskompatibilität.
Werden Maschinen auch nachgerüstet?
Jede Maschine kann mit unseren Sensoren nachgerüstet werden. Das ist auch wichtig etwa bei der Reparatur alter Maschinen, die ansonsten nicht mehr funktionieren würden. Und es gibt tatsächlich Kunden, die alte Maschinen komplett auf Industrie 4.0 hochrüsten. Aber das ist eine überschaubare Anzahl. Die meisten Kunden gehen erst mit der neuesten Maschinengeneration in die neueste Technologie.
Dann lässt die Umsetzung von Industrie 4.0 also auf sich warten.
Das ist von Branche zu Branche ganz unterschiedlich. Die Autoindustrie ist bei der Einführung von Industrie 4.0 ein Vorreiter. Die Hersteller investieren viel, um bestehende Anlagen hochzurüsten. In der Autoindustrie ist der Druck auf die Produktivität aber auch sehr hoch.
Und andere Branchen?
Sick ist im Investitionsgüterbereich tätig – und da sind die Bedingungen herausfordernd. Die niedrigen Zinsen sind zwar gut für das Investitionsklima, aber Andeutungen über Zinserhöhungen verunsichern die Unternehmen. Hinzu kommen Wechselkursschwankungen, die belasten.
Wirken sich politische Unsicherheiten auf Ihre Geschäfte aus?
Nein, noch nicht. In der Türkei und in den USA laufen unsere Geschäfte stabil.
Die künftigen Anforderungen an Sensoren steigen – haben Sie technologisch Defizite?
Wir decken bereits eine sehr große Bandbreite im Investitionsgüterbereich ab. Und wir erweitern unsere Produktpalette stetig. So haben wir ein Produkt im Bereich der Durchflussmesstechnik vorgestellt, ein Sensor, der Flüssigkeit von Öl bis Wasser misst.
Denken Sie über ganz neue Geschäftsfelder außerhalb der Automatisierung nach?
Nein. Im Momentan sind die technologischen Anforderungen so herausfordernd und die Zahl der Wachstumsfelder in unserem angestammten Geschäft so groß, dass wir derzeit nicht daran denken.
Sind Zukäufe für Sie ein Thema?
Wir haben in der Vergangenheit immer wieder zugekauft, um uns technologisch zu erweitern. An dieser Strategie wird sich auch nichts ändern. Derzeit sehe ich aber kein solches Defizit. Die Technologie, die wir derzeit benötigen, haben wir an Bord.
Sick ist eine reine Familien-AG. Wie wichtig ist für einen Sensorenhersteller die Unabhängigkeit von einem Konzern?
Sensor-Intelligenz ist ein ganz eigenständiges und vor allem hochspezialisiertes Geschäft. Die erfolgreichen Unternehmen konzentrieren sich ganz auf dieses Gebiet. Und mit einem Umsatz von knapp 1,4 Milliarden Euro gehören wir zu den Großen der Branche.
Ist Größe in Ihrem Geschäft wichtig?
In unserem Geschäft ist die Beherrschung der technischen Komplexität von Bedeutung. Das können auch kleine, hochagile Firmen gewährleisten.
In Deutschland gibt es angeblich 2500 Anbieter der Sensor- und Messtechnik.
Daran sehen Sie, wie klein die Firmen sein können.
Kann ich daraus schließen, dass Sie eine Vielzahl an Wettbewerbern haben?
Einen Konkurrenten, der unser Portfolio komplett abbildet, gibt es nicht. Weltweit gibt es etwa 200 Unternehmen, die mit uns in irgendeinem Bereich im Wettbewerb stehen. Der Druck ist dabei hoch. Je nach Sensorgebiet wird er dabei über den Preis oder die Technologie ausgetragen. 35 Prozent unseres Umsatzes machen wir mit neuen Produkten.
Dass Sensorenhersteller vor allem um die technologische Führung wetteifern, ist nachvollziehbar. Aber wirkt sich die Vielzahl der weltweiten Wettbewerber nicht auch auf Preis aus?
Stimmt. Dieser Zusammenhang ist auf den ersten Blick nicht plausibel. Das es den Preiswettbewerb dennoch gibt, erkennen Sie an folgenden Zahlen: Unser Absatz ist im vergangenen Jahr um zehn Prozent auf neun Millionen Sensoren gestiegen, der Umsatz erhöhte sich aber „nur“ um sieben Prozent.