Der Sensorhersteller Sick aus dem Schwarzwald profitiert davon, dass in vielen Branchen eine regelrechte Datensammelleidenschaft ausgebrochen ist. Immer neue Innovationen sind dabei die Triebfeder des geschäftlichen Erfolgs.

Waldkirch - Im Frühjahr ist der Schwarzwald besonders schön. Die Bahn fährt vorbei an blühenden Obstbäumen und an Rebstöcken, die gerade austreiben. An den Hängen sprießt zwischen den dunklen Tannen frisches Grün. 20 Minuten dauert die Fahrt von Freiburg nach Waldkirch, einer Stadt mit rund 20 000 Einwohnern. In dieser idyllischen Gegend ist der Sitz der Sick AG, einem der größten Sensorhersteller der Welt. So abgelegen der Sitz des Unternehmens ist, so präsent sind die Produkte auf dem Weltmarkt. Fast jeder Verbraucher kommt irgendwann in Berührung mit den Produkten des Familienunternehmens – nur wissen tut er es meist nicht.

 

So ist Sick in vielen Fabrikhallen präsent: die Chance ist groß, dass die Lichtschranke, die Mitarbeiter vor Unfällen schützt, von Sick kommt. Oder zu Hause: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das online bestellte Päckchen mit Hilfe der Schwarzwald-Technologie auf dem Transportband befördert wurde. Im Urlaub: Gut jeder zweite Koffer, der selbst eingecheckt wird, wird mit Hilfe der Sick-Technik vermessen. Im Supermarkt: Sick-Technik liest Barcodes aus. In der Freizeit: viele Museen installieren Sick-Lichtschranken; auch die Mona Lisa im Louvre ist dank Hightech aus dem Schwarzwald geschützt. Auf der Autobahn: In den Mautbrücken auf deutschen Autobahnen, die Lastwagen registrieren, stecken die Produkte. Die Sensoren der Schwarzwälder messen den Durchfluss von Gas in Pipelines, und sie messen Abgase in Fabrikschornsteinen.

Sick hilft, chinesische Umweltprobleme zu lösen

Kurzum: Ohne die Datensammler aus Waldkirch kommt die digital vernetzte Industrie nicht aus, viele lieb gewonnenen Annehmlichkeiten wären nicht denkbar. Und China hätte ohne die Badener noch größere Umweltprobleme. Für die Entstickung der rund 600 Kohlekraftwerke dort hat Sick die Technik geliefert; in 5000 Kaminen messen bereits Sick-Geräte. Als nächstes will Sick Indien im Kampf gegen Umweltverschmutzung unterstützen, erläutert Sick-Vorstandschef Robert Bauer im Gespräch mit unserer Zeitung.

Die Vielfalt der Anwendungen spiegelt sich in der Produktpalette des Unternehmens wider: 40 000 unterschiedliche Sensoren hat Sick im Angebot, die meisten werden in geringen Stückzahlen hergestellt. Aber es gibt auch richtige Verkaufsrenner. „G6“ beispielsweise. Der blau ummantelte Sensor ist mit einer Größe von drei mal zwei Zentimeter eher winzig. Wenn es um Stückzahlen geht, kommt er aber groß raus: pro Jahr verlassen mehrere Hunderttausend Stück die Produktionshallen, so Bauer. „G6“ ist eine kleine Lichtschranke, die etwa entlang der Förderbänder angebracht den Päckchen den richtigen Weg weist. Vielfalt gibt es auch bei den Abnehmern – der größte Kunde trägt gerade 1,5 Prozent zum Umsatz bei, sagt Konzernchef Bauer. Soll heißen: Selbst wenn der wichtigste Kunde ausfällt, bringt dies die Schwarzwälder nicht in Bedrängnis.

Die Datensammler aus dem Schwarzwald

Die innovativen Produkte von Sick passen in die Zeit. Quasi überall werden Daten gesammelt und analysiert. Dies spiegelt sich in den Zahlen der Waldkircher wider. Ob Umsatz, Gewinn oder Forschung und Entwicklung – alle wichtigen Kennziffern sind deutlich gestiegen. So ist der Umsatz in den vergangenen fünf Jahren um 40 Prozent auf nun knapp 1,3 Milliarden Euro in die Höhe geschnellt. Die Zahl der Mitarbeiter konnte nicht ganz mit mithalten: gut 7400 Beschäftigte standen Ende 2015 auf der Gehaltsliste, immerhin 26 Prozent mehr als 2011. Und für Forschung und Entwicklung gibt Sick heute stolze 60 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Trotz weltweiten, konjunkturellen Unwägbarkeiten – auch in diesem Jahr werde das Unternehmen wachsen, ist Bauer zuversichtlich.

Nicht zuletzt die Innovationskraft ist ein Erfolgsgarant des Unternehmens. Doch wo holt der Sensorhersteller all seine Ideen her? Teilweise haben die Kunden Wünsche, die in neue Produkten münden. Häufig ist es die Kreativität der Mitarbeiter. „Es gibt genügend Ideen“, erzählt Bauer. Er bezieht sich dabei auf die bestehenden Geschäftsbereiche wie die Ausrüstung von Fabriken, die Automatisierung der Logistikbranche und die Ausstattung von Kraftwerken, Chemie- sowie die Öl- und Gasindustrie. Auch autonom fahrende Autos sind vollgestopft mit Sensoren, doch dies sieht der Sick-Chef nicht als sein Thema an.

Und eine weitere Kundengruppe schließt er geradezu kategorisch aus: das Militär. Schon der Gründer Erwin Sick hatte sich konsequent auf rein zivile Anwendungen konzentriert; dieser Grundsatz gilt bis heute. Doch verpasst Sick da nicht etwas? Schließlich gilt das Militär, dass stets mit neuester Elektronik ausgestattete Waffen- und Funksysteme nachfragt, als Innovationstreiber. Doch Bauer winkt ab. Es gebe eine Branche, die sogar das Militär in Sachen Innovationskraft überholt habe – die Computerspieleindustrie.

Der lange Weg einer Innovation

Aber nur ein winzigkleiner Teil der Ideen, die die Sick-Tüftler kreieren, werden überhaupt aufgegriffen – und ein Bruchteil davon findet anschließend auch den Weg zum Kunden. Dabei wird der gesamte Produktentwicklungsprozess engmaschig kontrolliert; acht sogenannte Meilensteine wurden definiert, um die Risiken zu minimieren. „Es gibt auch Flops“, räumt Bauer ein, also Produkte, die die Erwartungen nicht erfüllten. Von Totalausfällen sei das Unternehmen bisher weitgehend verschont geblieben, bestätigt Sick-Finanzchef Markus Vatter.

Auch einen Engpass an Ingenieuren scheint die Innovationskraft der Schwarzwälder nicht bremsen zu können. Bauer führt dies auf den Ruf des Unternehmens zurück. Aber auch auf die unterschiedlichen Standorte. Waldkirch ist für diejenigen, die den Freizeitwert des Schwarzwalds genießen wollen, Hamburg für die großstadtaffinen Tüftler. Und selbst in Singapur und in den USA hat das Familienunternehmen inzwischen Entwicklungs-Dependancen. „Manche Kundenwünsche versteht man nur, wenn man vor Ort ist“, sagt Bauer.