Kamil Stoch hatte die Vierschanzentournee fast schon verloren, bevor sie begann. Nun ist der große Pole zum dritten Mal ihr Sieger.

Bischofshofen - Wenn sich die Bedeutung eines Sportlers daran misst, wie sehr ihn selbst die größten Rivalen wertschätzen, dann hat Kamil Stoch sehr viel richtig gemacht. „Ich mag ihn sehr und gönne ihm das wirklich“, sagte Markus Eisenbichler über den seit Mittwoch dreimaligen Sieger der Vierschanzentournee, „weil er ein so herzensguter Mensch ist.“ 

 

Polens „König Kamil“ ist längst der Grand Seigneur des Skispringens, ein Gentleman der Schanzen, wortgewandt, höflich, bescheiden, skandalfrei, eine Art Roger Federer des Wintersports. „Ich versuche, mich nur auf mich und meine Sprünge zu konzentrieren“, sagte der 33-Jährige über sein Erfolgsrezept, mit dem er in Bischofshofen nach Premieren-Gewinner Sepp Bradl im Jahr 1953 zum zweitältesten Tourneesieger der Geschichte wurde.

Sein dritter Sieg beim Klassiker war nicht so emotional wie der erste, als Stoch 2017 im letzten Springen den Norweger Daniel Andre Tande noch abfing. Er war nicht so geschichtsträchtig wie der zweite 2018, als er den Grand Slam mit vier Tageserfolgen schaffte. Dieser nun war aber der unter den schwierigsten Voraussetzungen.

Chaos nach positivem Coronatest bei Klemens Muranka

Eigentlich war die Tournee für Stoch schon vor dem ersten Springen verloren, als das gesamte polnische Team in Oberstdorf nach dem positiven Coronatest bei Klemens Muranka in Quarantäne gehen musste und vom Auftaktspringen ausgeschlossen wurde. Der polnische Boulevard tobte, Fans und Politik zürnten. Und Stoch? Von ihm kam kein böses Wort in Richtung Organisatoren, er verfolgte in professioneller Gelassenheit den Gang der Dinge.

„Ich bin sehr glücklich, dass wir die Chance erhalten anzutreten“, sagte er, als sich Quarantäne- und Corona-Krise zumindest bei ihm in Wohlgefallen aufgelöst hatten, Stoch und die Polen wieder ins Wettkampffeld aufgenommen wurden. Trotz der unschönen Ouvertüre war Stoch von Anfang an vorne mit dabei, und spätestens in Innsbruck, als er mit seinem ersten Saisonsieg die Gesamtführung übernahm, lief alles für ihn.

„Kamil ist der perfekte Skispringer“, sagt der deutsche Bundestrainer Stefan Horngacher, der Stoch bereits als Junior betreut und den kriselnden Olympiasieger von Sotschi zwischen 2016 und 2019 schließlich in die goldene Karrierephase geführt hatte. Stoch selbst spricht in höchsten Tönen vom Österreicher, dessen Arbeit bis heute nachwirkt.

Nur Titel des Skiflug-Weltmeisters fehlt

„Schon als ich mit Stefan im polnischen Jugendteam gearbeitet habe, hat er mir sehr geholfen. Bei mir hat er dann die Anlaufposition korrigiert, das war der entscheidende Punkt“, sagt Stoch, dem in seiner riesigen Erfolgssammlung nur der Titel des Skiflug-Weltmeisters fehlt.

Seit der Ära Horngacher werden Polens Springer verstärkt von der Öffentlichkeit abgeschirmt, der Trubel in der Heimat ist immens - Stochs Popularität nur mit der von Weltfußballer Robert Lewandowski vergleichbar. Stoch, der längst seinen großen Vorgänger Adam Malysz überflügelt hat, ist trotzdessen ein ganz außergewöhnlich gewöhnlicher Typ geblieben, der sich selbst als großen Tollpatsch vor allem in Haushaltsdingen beschreibt und seit zehn Jahren ganz seriös mit seiner Ewa verheiratet ist, die ihn auch managt.

„Ich habe sportlichen Erfolg“, sagt König Kamil deshalb, „aber der größte Erfolg meines Lebens ist mein privates Glück.“