Sigmar Gabriel (SPD) spricht bei Caren Miosga über den Zwist der Ampel-Koalition. Außerdem geht es im ARD-Talk um die bevorstehende US-Wahl. Dabei gibt es auch Lob für Trumps Wahlkampf.

Am Dienstag schaut die Welt auf die US-Wahlen und Caren Miosga hatte den früheren Wirtschafts- und Außenminister und Vorsitzenden der Atlantik-Brücke, Sigmar Gabriel (SPD), am Sonntagabend in der ARD mit drei weiteren Experten zur Frage „Trump oder Harris?“ eingeladen.

 

Ignorieren konnte sie die Zerwürfnisse in der Koalitionsregierung in Berlin aber nicht, sie thematisierte sie am Schluss der Sendung und fragte Gabriel, ob er sich das als Wirtschaftsminister hätte bieten lassen, so wie Minister Robert Habeck nicht vom Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem Wirtschaftsgipfel eingeladen zu werden. „Es gibt offensichtlich keine Regierung“, antwortete Gabriel, es werde jetzt schon ein Vorwahlkampf geführt.

Dass Habeck eigene Vorschläge für einen Investitionsfonds öffentlich lanciere und Finanzminister Christian Lindner jetzt ein 18-seitiges Papier zur Wirtschaftsbelebung herausgab, gehöre eigentlich „in die Ressortabstimmung“. An ein rasches Ende der Ampel-Koalition glaubt Gabriel aber nicht, die Koalitionäre hätten „Angst vor Neuwahlen“. Die wären ja im übrigen auch „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“.

Sigmar Gabriel lobt Christian Lindner

Viele Zeichen sprächen dafür, die Ampel-Regierung werde weitermachen. Anders als 1982, als Otto Graf Lambsdorff (FDP) die Koalition mit der SPD platzen ließ und einfach „zur CDU“ sprang, hätte eine CDU-FDP-Koalition im Bundestag ja derzeit auch gar keine Mehrheit. Mehr Sorgen als vor den Wahlen in 2025 habe er vor der Bundestagswahl in 2029, so Gabriel, denn wenn „die Regierung so schlecht bleibt“, dann bekomme man mit ihr „Verhältnisse wie in Frankreich“.

Caren Miosga fragte Sigmar Gabriel zur aktuellen Situation der Ampel-Koalition. Foto: ARD/Claudius Pflug

Aktuell sieht Gabriel auch einen Ausweg aus der Krise in den anstehenden Koalitionskrisengesprächen und rät offen zu einem Zugehen auf die FDP: Vieles, was Christian Lindner geschrieben habe in seinem 18-Seiten-Papier, sei Ideologie, zum Beispiel eine „Taliban-Position“ zur Schuldenbremse, es sei aber auch „vieles richtig darin“. Wenn man die Leistungsfähigkeit Deutschlands und Europas steigern wolle, gerade im Blick auf die Zeit nach der US-Wahl, dann müsse man einiges machen, „was der Lindner da sagt“.

Ein „Arschloch“ als Führer?

Aber der US-Wahlkampf und ein mögliches Comeback von Donald Trump waren das Hauptthema bei Caren Miosga und es war verwunderlich, dass sich bei allen Studiogästen wie ein roter Faden in den gut 50 Minuten des US-Themenblocks immer wieder die Bekundung eines gewissen Respekts – Lob wäre das falsche Wort angesichts der vielen Lügen und Beleidigungen – für die professionelle Wahlkampfführung von Trump durchschimmerte; seinen Instinkt für Trends, seine Sprache, sein Zugehen auf die Arbeiterschaft, sei es nun in der Rolle als Müllmann oder Bedienkraft bei McDonalds.

Und dieses Auftreten hebt sich ab von der demokratischen Kandidatin Kamala Harris, die sich schick auf dem Titel der „Vogue“ in Hochglanz ablichten ließ. Seine ständigen Falschinformationen scheinen Trump nicht zu schaden, und in einem eingespielten Video von Trump-Fans aus New York sagte ein junger Mann, er wisse, dass Trump ein „Arschloch und Egomane“ sei, aber das sei ihm egal, er wolle so einen Typ als Führer.

Trump „ein Meister des Narrativs“

Julius van de Laar, einst US-Wahlkampfstratege für Barack Obama, wies daraufhin, dass es Trump mit Podcasts und über Tiktok gelinge, sogar junge Männer für sich zu mobilisieren. „Er ist ein Meister des Narrativs“, so van de Laar. Im Wahlkampf zählten nicht Fakten, sondern Wahrnehmungen. Trump schaffe es zu vermitteln: „Ich bin einer von Euch.“ Wenn er über Migranten („Sie bluten uns aus“ ) oder Zölle („Ich liebe das Wort“) spreche, dann stelle er sich als Politiker dar, der aufräume.

Sigmar Gabriel bemerkte, dass Trump auf Kosten der Wahrheit und mit rassistischen Reden die Menschen mobilisiere, und es sei erstaunlich, wie einer, der die Interessen der Milliardäre vertrete, gleichwohl Volksnähe zur Schau stelle und die „Wut und den Frust“ der Menschen aufgreifen könne.

Politikwissenschaftlerin Cathryn Clüver Ashbrook sprach über den US-Wahlkampf. Foto: ARD/Claudius Pflug

„Es ist ein Wahlkampf der Bilder und nicht der Fakten“, bemerkte die Politikwissenschaftlerin Cathryn Clüver Ashbrook. Einige Fehler beobachteten die Studiogäste bei Kamala Harris, von der als Kandidatin monatelang „nichts zu hören gewesen“ sei, so der „Welt“-Korrespondent Jörg Wimalasena, und bei der offen sei, welche Programme sie eigentlich habe und die nur „wenig Substanz“ dem Skandalkandidaten und Demokratiefeind Trump entgegensetzen könne.

Wimalasena meinte, die USA bräuchten etwas von „der guten alten Sozialdemokratie“ – aber dieser Wunsch blieb in der Talkrunde wirklich ohne Echo. Dass Harris bei Frauen besser punkten kann als Trump, das ist bekannt. Dass sie, eine Politikerin mit jamaikanisch-indischen Wurzeln, aber bei schwarzen Männern auf Skepsis stößt, dafür werden noch Erklärungen gesucht.

Die Genderfrage sei den Afro-Amerikanern völlig egal, meinte Wimalasena, für sie vertrete Kamala Harris die Welt der weißen Akademiker, und Sigmar Gabriel erinnerte daran, dass die Demokratin und Vizepräsidentin einmal Generalstaatsanwältin gewesen sei und da ein „ziemlich hartes“ Image als Law-and-Order-Frau gehabt habe, das wirke eventuell noch nach.

Europa müsse eigene Kraft entwickeln

Immerhin legen die Demokraten im Endspurt des Wahlkampfs offenbar eine Schippe drauf, wie Julius van de Laar berichtete: Allein im sehr wichtigen Swing-State Pennsylvania, wo einige Zehntausende Stimmen die US-Wahlen entscheiden können und es ein überaus hartes Ringen gebe, klingelten Harris’ Wahlhelfer pro Minute an 2000 Haustüren. Die Partei habe dort 500 Millionen Dollar in den Wahlkampf investiert, eine enorme Summe.

Wie es nach dem Dienstag weiter geht, das war die große Frage. Egal, ob Harris oder Trump gewinne, Europa werde sich zusammenreißen müssen und eine eigene Kraft entwickeln , das war der allgemeine Tenor. Harris hat sich zur Nato und zu Europa bekannt, aber auch bei ihr gilt, was von Sigmar Gabriel beschrieben worden ist: Die USA konzentrieren sich auf den indopazifischen Raum, wo zwei Drittel der Menschheit leben, und sie nehmen die Herausforderung durch China an. Das sei ja im Prinzip gut, aber ohne die USA sei „Europa nur noch Provinz, egal unter welchem Präsidenten“.

Europa müsse daher endlich seine eigenen Möglichkeiten ausbauen. Was die Politik eines möglichen US-Präsidenten Trump anbelangte, äußerten zwei Studiogäste immerhin verhalten optimistisch. So werde die angekündigte Massendeportation von Migranten wohl „im Chaos“ enden, da die US-Landwirtschaft die Arbeitskräfte dringend brauche, meinte Clüver Ashbrook.

Und Gabriel wies daraufhin, dass Trump „keine Leitpfähle“ habe, und wenn er merke, dass es beispielsweise mit Protektionismus nicht gut laufe, dann korrigiere er sich wieder. Allgemein zeigte Gabriel aber auch Besorgnis über ein Comeback von Trump: Der wolle mit den anderen „großen Jungs“ in der Weltpolitik – China und Russland – seine Deals machen und der Rest müsse sehen, wo er bleibt: „Der Rest sind wir.“