Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel ist zwar in der „Babypause“ – aber gleichzeitig fast omnipräsent in allen Medien. Nun hat er in einem Twitter-Interview seine scharfe Bankenkritik erklärt.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Dass der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mitten in diesem Sommer politisch keinesfalls „toter Mann“ spielen würde, hat man sich schon Mitte April denken können, als er zu Gunsten seiner gerade eine Woche alten Tochter eine „Auszeit“ angekündigt hat. Erstens wäre das ein Jahr vor der Bundestagswahl bei jedem SPD-Chef mindestens ein wenig gewagt; zweitens entspricht es nicht dem Temperament und dem Mitteilungsbedürfnis des Ersten unter den Genossen. Deshalb hat Gabriels Sprecher gleich vorsorglich darauf hingewiesen, dass der SPD-Chef selbstredend auch in seinen Vätermonaten nicht ganz abtauchen, sondern das eine oder andere Interview geben, die eine oder andere Mail schreiben und den einen oder anderen Tweet (Anm. d. Red.: Internet-Kurznachricht) formulieren werde.

 

Derzeit kommuniziert Gabriel so virtuos auf allen Kanälen, dass man den Beginn seiner Babypause nicht einmal über einen plötzlich aufgetretenen Mangel an O-Tönen im Kalender lokalisieren könnte. Das gilt vor allem seit dem vorigen Wochenende, an dem er – wie berichtet – ein Acht-Punkte-Papier zur Regulierung des Bankensektors veröffentlicht hat. Ist er wirklich weg und am Wickeltisch? Hoffentlich hat er Helfer, die seiner Kleinen notfalls den Schnuller holen oder die Flasche geben, wenn er doch zwischendurch mal knietief durch Partei- oder Wahlkampfangelegenheiten waten muss.

„Mariechen ist abgefüttert, der Kaffee ist da, also kann’s losgehen“, ließ er Interessierte am Freitagvormittag frohgemut über den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter wissen. Dort stand er eine Stunde lang zum Interview zur Verfügung und beantwortete im 140-Buchstaben-Format Fragen zum Thema Bankenkritik.

Nebenbei ein Blick in die Privatwohnung

Es ergab sich ein munterer Schlagabtausch, der dem SPD-Twitterer offenbar Spaß gemacht hat. Das Foto, das Gabriel ins Netz stellte und das ihn vor dem Laptop zeigt, inspirierte andere Twitterer zu Kommentaren über die golden Türbeschläge im Hintergrund („Ist `ne Mietwohnung“) bis zu seiner Kaffeetasse („Die gehört meiner Frau“). Außerdem musste er bekennen, ob er beim Twittern Hilfe habe („Das krieg ich gerade noch so alleine hin“). Aber es ging beileibe nicht nur darum, den voyeuristischen Blick in die Privatwohnung zu befriedigen. Gabriel musste sich auch Fragen stellen, ob die Bankenkrise überhaupt noch lösbar sei („Ja – auf europäischer Ebene“), ob die Rettungspakete nicht doch falsch gewesen seien („Wer meint, man könne auf die Euro-Rettungsschirme verzichten, ahnt nicht, wie hoch Kosten und Arbeitslosigkeit i.d. EU würden“), und warum Rot-Grün unter dem Kanzler Gerhard Schröder wichtige Regularien aufgegeben hat („Weil auch wir dachten, dem neoliberalen Druck der Finanzmärkte nachgeben zu müssen“).

Kurz bevor Gabriel sich mit einem Hinweis auf sein hungriges Töchterchen aus dem Netz verabschiedete, erreichte ihn die Kurznachricht von @sWalterli: „SPD vs. Wallstreet. Good luck“. Das klang sicher nicht zufällig nach dem biblischen Kampf zwischen David und Goliath. „In der 150-jährigen Geschichte der SPD gab es mächtigere und schlimmere Gegner“, konterte Gabriel stolz.

Im Wahlkampf haben die Sozialdemokraten es ohnehin nicht mit Wallstreet- oder sonstigen Bankern zu tun, sondern einmal mehr mit Angela Merkel. Angesichts der jüngsten Meinungsumfrage mögen zaghaftere Gemüter unter den Genossen vielleicht schon zweifeln, ob das nicht sogar schlimmer ist. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa sieht die potenziellen SPD-Kanzlerkandidaten Sigmar Gabriel (mit 17 Prozent), Peer Steinbrück (26 Prozent) und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (27 Prozent) jedenfalls weit abgeschlagen hinter der Kanzlerin, die es laut dieser Umfrage in der direkten Konkurrenz auf 59 Prozent Zustimmung bringt.