Signa-Pleite könnte in Stuttgart Lücken reißen Sorge um Leerstand auf der Königstraße

Die Baustelle an der Königstraße für ein neues Büro- und Geschäftshaus ruht. Wann die Arbeiten wieder aufgenommen werden, ist ungewiss. Foto: Konstantin Schwarz

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein weiteres Unternehmen aus dem Reich des Immobilienunternehmers René Benko Insolvenz beantragt. Die Innenstädte sind betroffen.

Der Stillstand auf der Baustelle des Immobilienunternehmens Signa AG an der Königstraße könnte sich hinziehen, denn der bisherige Bauherr hat offene Rechnungen hinterlassen, und ein neuer ist nicht in Sicht. Gleichzeitig droht der Einkaufsmeile Leerstand. Die Visitenkarte des Stuttgarter Handels könnte ausgerechnet zur Fußball-EM 2024, wenn viele ausländische Gäste erwartet werden, dunkle Flecken zeigen.

 

Vor einer Woche drang aus dem Reich des österreichischen Immobilienmanagers René Benko die nächste Hiobsbotschaft: Insolvenz der Signa Development Deutschland GmbH. Wenige Tage später erwischte es auch Sport Scheck. Insolvent, nicht insolvent? – Im Labyrinth der Benko-Firmen stellt sich die Existenzfrage mit zunehmender Schlagzahl. Früher zeichneten Wirtschaftskanzleien die Struktur verzweigter Unternehmen zum Überblick an eine Wand. Bei Signa mit einer hoch dreistelligen Zahl an Firmen ist die Frage, ob sich genügend Fläche für ein Organigramm findet.

Kanzlei mit viel Erfahrung in Handelssachen

Die insolvente Development Deutschland GmbH mit rund 170 Mitarbeitern hat ihren Sitz in der Josephspitalstraße 15 in München. Das Team erbringt Dienstleistungen für diverse Signa-Baustellen in der Republik. An gleicher Stelle in München hängt der Briefkasten für die GmbH des Stuttgarter Neubaus Königstraße 23+25. Für ihn gibt es offensichtlich keinen Insolvenzantrag. Was aber nicht den Fortgang der Arbeiten garantiert.

Die Insolvenz der Development GmbH wurde der Wirtschaftskanzlei Görg mit Sitz in Berlin zugewiesen, nicht einer Münchner Kanzlei. Die Development GmbH betreibt ihr Geschäft dem Vernehmen nach vor allem in Berlin. Und die Großkanzlei Görg besitzt Expertise in schwierigen, verzweigten Fällen. Deren inzwischen verstorbener Gründer Klaus Hubert Görg bewältigte schon die Karstadt-Insolvenz Anfang der 2010er Jahre mit damals mehr als 40 Einzelgesellschaften. Benko fügte seinem Immobilien- und Handelsimperium später Karstadt-Trümmerteile hinzu. Die Kanzlei Görg dürfte aktuell mit der Bildung des Gläubigerausschusses beschäftigt sein, in dem später Entscheidungen fallen. In der Regel sitzt dort auch die Arbeitnehmerseite mit am Tisch. Äußern könne man sich zu dem Fall nicht, sagt ein mit der Pressearbeit beauftragtes Büro; das Verfahren sei nicht öffentlich, außerdem stehe man ganz am Anfang der Arbeit.

Die Baupartner der Signa halten still

Sämtliche Baupartner von Signa für das neue Büro- und Geschäftshaus an der Ecke König- und Schulstraße wollen medial nicht mehr in Erscheinung treten. Sie halten still und hoffen auf den Fortgang der Arbeiten, mutmaßlich unter neuer Führung. Das Ruder übernehmen könnte, das sollen Signa-Vertreter gesagt haben, die Doblinger Industriebau AG. Unterschriebene Verträge gibt es angeblich keine. Firmenpatriarch Alfons Doblinger (79) wolle sich nicht äußern, heißt es aus seinem Vorzimmer. Stuttgart kennt Doblinger seit Jahrzehnten wie seine Westentasche. Er gehörte zu den Lieblingsinvestoren von Alt-OB Wolfgang Schuster (CDU). Und die Regeln des Marktes kennt Doblinger auch. Eine davon ist, dass sich Grundstücke und Immobilien aus einer Insolvenz günstiger erwerben lassen als auf dem freien Markt. Abschläge sind die Regel.

Neben der Baustelle am Abgang zur Schulstraße muss Stuttgart auch um den Fortbestand von Galeria Kaufhof bangen. Der Standort Königstraße 6 gehört dem Vernehmen nach zu den umsatzstärksten des Imperiums. Zwei Insolvenzen hat Galeria Kaufhof überstanden, auch weil der Staat zu Coronazeiten mehr als 600 Millionen Euro zuschoss. Mit solchen Infusionen dürfte künftig nicht mehr zu rechnen sein, womöglich hat sich das Geschäftsmodell großer Warenhäuser im Internet-Bestellzeitalter sogar komplett überlebt. Ein Leerstand am Entrée der Königstraße wäre für die Stadt doppelt bitter, denn die Landesbank (LBBW) plant auf der gegenüberliegenden Seite der Meile eine mehrjährige Großbaustelle.

Überprüfung von Verkäufen nicht unüblich

Die Schockwellen aus Benkos Reich könnten in Stuttgart auch noch den dritten Standort des Österreichers in der City erreichen. An der Eberhardstraße läuft der Ausverkauf der dortigen Galeria-Filiale. Die Stadt hat das alte Haus und das Parkhaus in der Steinstraße in diesem Jahr für 58,5 Millionen Euro erworben. Sie sprang ein, als die Deutsche Bundesbank Benko als langjährige Mieterin vom Haken gegangen war. Die Stadt hatte ein Vorkaufsrecht geltend gemacht. Das neue Haus der Kulturen könnte nach Umbau einen Teil der Räume füllen. Die Kommune kann aber nicht an jeder Ecke in der City zum Ausfallbürgen werden.

Für Insolvenzverwalter ist es nicht unüblich, im Sinne der Gläubiger Verkäufe zu durchleuchten. Bei der Karstadt-Pleite nahm das Büro Görg damals sieben Jahre alte Verträge unter die Lupe und wurde fündig. Der Verkauf an der Eberhardstraße könnte also überprüft werden. Laut Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) ließ die Stadt den Preis durch ein Gutachten ermitteln.

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