Signaltechnik ETCS für Stuttgart Schiebt Berlin die S-Bahn aufs Abstellgleis?

Im Bundesetat, der am Mittwoch im Kabinett beraten wird, ist zu wenig Geld für die moderne Signaltechnik ETCS enthalten. Deshalb schlägt das Landesverkehrsministerium Alarm, die Region hofft noch.
Stuttgart - Für viele S-Bahn-Fahrgäste im Berufsverkehr ist es Alltag: überfüllte Züge, Verspätungen und Ausfälle. Die Aussicht auf eine Verbesserung verbindet sich mit dem Vierbuchstabenkürzel ETCS. Die moderne Signal- und Steuerungstechnik soll bewirken, dass mehr und längere S-Bahnen in dichterem Abstand fahren können, sich Verspätungen schneller abbauen lassen. Die Kapazität der unterirdischen Stammstrecke in Stuttgart, die von allen Linien genutzt wird, ließe sich von 20 auf 24 Züge pro Stunde steigern.
Bundesmittel reichen nicht aus
Doch der Hoffnungsschimmer, dass mit Stuttgart 21 im Jahr 2025 auch ETCS für die S-Bahnen und Regionalzüge in Betrieb geht, könnte sich am Mittwoch verdunkeln. Am Vormittag beschließt das Bundeskabinett in Berlin die Eckpunkte für den Etat 2020. Für die bundesweite Digitalisierungsoffensive auf der Schiene sind darin statt der jährlich geforderten 1,5 Milliarden nur 567 Millionen Euro bis 2023 vorgesehen. Das ist deutlich weniger Geld, als, gestützt auf eine Machbarkeitsstudie, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Finanzressort von Minister Olaf Scholz (SPD) gefordert hatte. Auch das Land Baden-Württemberg und der Verband Region Stuttgart gingen von einem erheblich größerem Bundestopf aus, als sie vor acht Wochen beschlossen, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Für die Ausstattung des Bahnknotens Stuttgart und die Umrüstung der Fahrzeuge mit ETCS werden gut eine Milliarde Euro angesetzt. Die jetzt im Raum stehenden Bundesmittel würden dafür nicht ausreichen, heißt es.
Bisher schienen die Weichen gestellt
In einem Brandbrief, der unserer Zeitung vorliegt, hat sich deshalb Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Landesverkehrsministerium, an den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Werner Glatzer, gewandt. „Für den Bahnknoten Stuttgart würde eine Verzögerung der Digitalisierung bedeuten, dass der einzige Hauptbahnhof, der in Deutschland neu gebaut wird, mit konventioneller Technik in Betrieb gehen würde“, heißt es darin, „es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn der neue Bahnhof bereits im Bau technologisch veraltet wäre.“ Der Beschluss, ob die Tunnelstrecken von S 21 digitalisiert werden, muss in diesem Jahr getroffen werden. Und nur wenn ETCS bei S 21 eingesetzt wird, gibt es überhaupt eine Chance, auch die S-Bahn- und Regionalzugstrecken damit auszustatten.
Bisher schienen die Weichen für ETCS gestellt. Im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und CSU heißt es, das „die Digitalisierung der Schiene, auch auf hochbelasteten S-Bahnstrecken, vorangetrieben werden“ solle. Auch die Bahn hatte sich im Herbst in Person von Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla für ETCS am Bahnknoten Stuttgart ausgesprochen, in einer Machbarkeitsstudie wird es als eines von fünf Pilotprojekten aufgeführt. Ein kleineres, aber bereits beschlossenes ist eine Teststrecke in Hamburg, wo Scholz bis März 2018 Erster Bürgermeister war. Als sich im Herbst 2018 ein Beschluss des Haushaltsausschusses über die Finanzierung des Projekts digitale Schiene verzögerte, versicherte der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, der Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger (CDU) aus Ludwigsburg, auf einer Veranstaltung unserer Zeitung Ende Oktober, dass man auf einem guten Weg sei. So äußerten sich auch SPD-Bundestagsabgeordnete wie Ute Vogt aus Stuttgart.
Bopp hofft auf eine Lösung
Anfang des Jahres beschlossen das Landeskabinett und die Regionalversammlung umfassende Konzepte. Vor allem die Region ging als Träger des S-Bahn-Verkehrs in Vorleistung. Sie orderte für mehr als 400 Millionen Euro 56 neue S-Bahnen (zwei weitere kauft die Bahn). Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) setzt deshalb darauf, dass „das Eckpunktepapier noch nicht das letzte Wort ist“. Er könne sich einfach nicht vorstellen, dass der Bund diese Zukunftschance verstreichen lasse. Und selbst wenn das Kabinett das Papier beschließe, ist für Bopp „noch nicht aller Tage Abend“.
Unsere Empfehlung für Sie

Pünktlichere S-Bahnen in der Region Stuttgart Das Portal S-Bahn-Chaos will Lehren aus der Corona-Zeit ziehen
Für das Internetportal S-Bahn-Chaos ist die Tatsache, dass die S-Bahnen im Corona-Jahr 2020 pünktlicher als sonst waren, kein Grund zur Freude. Stattdessen müsse man jetzt für die Zukunft vorbauen.

Mission in der Region Stuttgart Linke stoßen sich an Bibelversen in Bussen und S-Bahnen
Die Linke/Piraten-Fraktion in der Regionalversammlung stößt sich an Bibelversen im ÖPNV und wünscht sich neue Richtlinien. Die Kritik lautet: Menschen würden sich dadurch bedrängt fühlen. Die württembergische Landeskirche sieht das anders.

Nahverkehr in der Region Stuttgart So pünktlich war die S-Bahn im Jahr 2020
Corona macht’s möglich: Nachdem die S-Bahn Stuttgart im Jahr 2019 so unpünktlich wie noch nie war, fährt sie in den vergangenen zwölf Monaten so gute Pünktlichkeitswerte wie seit langem nicht mehr ein. Aber es gebe auch noch andere Gründe, sagt ein Bahnsprecher.

Eigentor der Linken Provokation im Wahlkampf
Die Fraktion Die Linke/Pirat verkämpft sich mit fragwürdigen Motiven gegen Bibelsprüche in der S-Bahn, meint Lokalredakteur Martin Haar.

Streit um Religionswerbung in Stuttgart CDU: Bibelverse in S-Bahnen erwünscht
Im Streit um Bibelverse in Bussen und Bahn, den die Regionalfraktion Die Linken/Pirat losgetreten hatten, meldet sich jetzt die CDU zu Wort. Tenor: „Wir sollten also die Kirche im Dorf lassen – und auch in der S-Bahn.“

FFP2-Masken beim Einkaufen in Stuttgart Wer kontrolliert die neue Maskenpflicht?
Beim Einkaufen und im Nahverkehr wird das Tragen von medizinischen Mund-Nase-Masken künftig zur Pflicht. Die Polizei und die Ordnungsbehörde kontrollieren, ob die Masken den Standards entsprechen – mit dem gebotenen Fingerspitzengefühl.