Der Degerlocher Autor Beqë Cufaj hat einen kritischen Roman über die Einsätze von Hilfsorganisationen geschrieben.

Degerloch - Degerloch ist eine Metapher. Der Bezirk wird als einziger reeller Ort in „projekt@party“, dem neuen Roman des Degerlocher Autors Beqë Cufaj, genannt und identifiziert damit für Stuttgart-Kenner das Land „hier oben“. Ein Land, in dem Frieden herrscht, die Menschen genug zu essen haben, in dem es eigentlich allen ziemlich gut geht – so wie in Degerloch eben. Aus diesem „hier oben“ fliegt ein deutscher Universitätsprofessor in ein vom Bürgerkrieg zerrüttetes, namenloses Land. „Da unten“ will er Gutes tun, als Mitarbeiter der UN für Krisengebiete. So weit die Handlung des Romans.

 

Weil Degerloch so gut auf die Beschreibung von „hier oben“ passt, hat sich der aus dem Kosovo stammende Autor entschieden, den Namen des Bezirks als einzige Ortsbezeichnung in seinem Roman auftauchen zu lassen. „Und, um dem Ort, in dem ich lebe, etwas zurückzugeben“, sagt Cufaj. Er fühle sich „hier oben“, auf den Fildern, nämlich sehr wohl. Am Sonntag gibt der 42-Jährige während der Degerlocher Kirbe eine Signierstunde.

Das Ventil für den Frust sind Partys, unzählige Partys

Weiter im Roman: Als der Professor im zerrütteten „hier unten“ angekommen ist, deckt sich nichts mit seinen Erwartungen, die er „da oben“ noch hatte. Seinen Mithelfern geht es ähnlich – die Kluft zwischen den Kulturen ist zu groß, als dass „die Neokolonialisten“, wie Cufaj sie nennt, mit ihrer Rolle klar kämen. Ihr Ventil für diesen Frust sind Partys, unzählige Partys.

Genau dort setzt die Kritik des Autors an. Das Buch „ist kein Enthüllungsbuch und kein Racheroman“, stellt Cufaj klar. Zudem sei die Geschichte rein fiktiv. Dennoch wird sein Urteil über die Einsätze von Hilfsorganisationen in Krisengebieten deutlich. Und das sei überall gleich, ob im Kosovo, in Haiti oder sonst wo – darum die Namenlosigkeit. Die Arbeit der Helfer könne nicht fruchten, da die Ansätze der Hilfsorganisationen nicht mit den Strukturen der hilfsbedürftigen Länder vereinbar seien. Auch wie die Spendengelder versickern – die Menschen aus „da oben“ gemütlich aus ihren Sesseln überweisen und sich ohne Aufwand als Samariter fühlen – beschreibt Cufaj mit stichfestem Hintergrundwissen. „Ganze 70 Prozent des Geldes gehen zurück in die Geberländer“, rechnet er vor.

Erzählung aus der Sicht des Antihelden

Fünf Jahre hat Cufaj, der seit 2006 in Degerloch lebt, an „projekt@party“ gearbeitet. Oft bereiste er den Balkan, um zu recherchieren. Mit das Schwerste sei es gewesen, aus der Sicht des Professors zu schreiben, der ein klassischer Antiheld ist. „Außerdem bin ich weder Professor noch ein gescheiterter Ehemann“, scherzt Cufaj, der neben der Schriftstellerei als freier Journalist arbeitet.

Als Autor in die Rolle zu schlüpfen, ist ihm geglückt. Der Roman ist seit seiner Veröffentlichung Anfang September eingeschlagen, die zweite Auflage liegt bereits in den Regalen der Buchläden. Aus dem Stuttgarter Literaturhaus, in dem im September die Buchpräsentation stattgefunden hatte, winkt zudem ein Ehrung: Der Wirtschaftsclub im Literaturhaus zeichnet Beqë Cufaj mit seinem Preis aus, der jährlich an baden-württembergische Autoren geht, die sich in ihren Werken mit Themen der Wirtschaftswelt kritisch auseinandersetzen.

Über die Resonanz aus seiner zweiten Heimat Stuttgart freut er sich, sagt Cufaj. Und auch darauf, zum ersten Mal in seinem Wohnort Degerloch aufzutreten.