Innerhalb von vier Jahren hat Jürgen Müller aus einer insolventen Firma die Designschmiede Silberform in Leonberg gemacht. Das Unternehmen arbeitet für alle deutschen Autohersteller, Glanzstück ist eine Arbeit für den größten Kunden Porsche.

Nachrichtenzentrale: Andreas Schröder (sö)

Leonberg - Die Projekte sind geheim. Autohersteller investieren Milliarden in die Entwicklung und den Bau neuer Modelle; sie wollen deshalb unbedingt verhindern, dass ihre neuen Kreationen vor der offiziellen Präsentation bekannt und von der Konkurrenz kopiert werden. Jürgen Müller lächelt deshalb nur, wenn er nach aktuellen Projekten gefragt wird. Der Gründer und Alleinvorstand des schwäbischen Design- und Entwicklungsdienstleisters Silberform zählt alle großen deutschen Autohersteller zu seinen Kunden; Verschwiegenheit ist sein oberstes Gebot.

 

Erfolgreich bewältigte Arbeiten aber zeigen, dass sich das erst 2010 gegründete Unternehmen mit Sitz in Leonberg-Warmbronn bereits etabliert hat. Porsche ist der größte Kunde; als „große Herausforderung und Emotion pur“ bezeichnet Müller die Erstellung eines Präzisionsmodells des Supersportwagens Porsche 918 Spyder. Das sogenannte Flächenkontrollmodell dient den Herstellern als Basis zur technischen Freigabe des Designs für die Serienentwicklung des Fahrzeugs. „Bei der Herstellung der 918-Modelle durften wir Porsche in einer frühen Phase unterstützen“, erzählt er. Das von Silberform erstellte Modell wurde auch als Präsentationsobjekt auf Messen und Ausstellungen gezeigt. Der 918 ist ein Hybridauto, angetrieben von einem Benzinmotor sowie von einem Elektromotor an der Vorderachse und einem an der Hinterachse. Porsche hat das Fahrzeug auf 918 Stück limitiert.

Trotz aller Technik – Autos werden nach Aussehen gekauft

Die Silberform AG ist ein klassischer Dienstleister. „Die Hersteller haben die Hoheit“, sagt Müller. Die Autobauer machen die Vorgaben für das jeweilige Design, die Mitarbeiter von Silberform setzen sie um und präsentieren anschließend anhand von maßstabsgetreuen Modellen ihre Arbeiten. Trotz aller technischen Neuerungen – Autos werden nach ihrem Aussehen gekauft. „Über das Exterieur verliebe ich mich in ein Auto“, sagt Müller. Designs seien deshalb Chefsache. Die Vorstände begutachten die Kreationen, halbe Sachen werden nicht geduldet: „Die Erwartungen an Qualität und Detailtreue der Modelle sind bereits in frühen Stadien extrem hoch; unbedingte Termintreue wird vorausgesetzt“, erläutert Müller.

Meist sind es klar abgegrenzte Aufträge, die an die Dienstleister gehen: die Gestaltung von Felgen, Rücklichtern und Bedienanzeigen beispielsweise. Beim Entwurf von Fahrzeugkomponenten und Accessoires wird eine Vielzahl von Entwürfen, die kontinuierlich über ein Auswahlverfahren reduziert werden, erstellt.

Die Ein- und Ausgangskontrollen sind streng

Seine Zentrale hat Silberform in diesem Jahr von Renningen ins vier Kilometer entfernte Warmbronn verlegt, weil sich die Produktion in Renningen immer weiter ausdehnt. Dort hat das Unternehmen die Kapazitäten über die Jahre auf elf Designstudios ausgebaut, in denen gleichzeitig jeweils ein Projekt für die Autohersteller bearbeitet werden kann. Umfangreich sind die Auflagen der Konzerne für Zulieferer, die Betriebe werden zertifiziert, bevor sie tätig werden dürfen. Die Ein- und Ausgangskontrollen sind streng, Mitarbeitern wird der Zugang nur für das Projekt gewährt, an dem sie arbeiten. Handys sind in den Werken verboten, drahtloses Internet gibt es bei Silberform nicht.

Das Unternehmen lebt von Jürgen Müllers Ideen und Kontakten. Ohne den 53-Jährigen gäbe es die Firma nicht. Der Manager hat die ersten knapp zwanzig Jahre seiner Karriere bei Daimler gearbeitet, vor Silberform bereits ein Unternehmen gegründet, erfolgreich geführt – und an Daimler verkauft. 2010 hat Müller die insolvente Messmotech (Renningen) mit 44 Beschäftigten übernommen. Das Unternehmen wurde in Silberform umbenannt und kontinuierlich ausgebaut. Sieben Millionen Euro hat Müller zusammen mit einem ehemaligen Partner und einem Freund investiert. Jürgen Müller hält 35 Prozent am Unternehmen, Mitarbeiter besitzen 18 und Investoren 47 Prozent. Banken wollten keinen einzigen Euro beisteuern, sagt Müller. Silberform hat nun auch Standorte im polnischen Krakau und in Leinfelden-Echterdingen. Dort wurde 2012 der Werkzeug- und Maschinenbauer Karl Alber gekauft und eingegliedert.

Neue Aufträge von Volkswagen, Audi und BMW

Heute arbeiten 160 Mitarbeiter für Silberform. Ein großer Teil von ihnen ist im Unternehmen qualifiziert worden; der Anteil der Auszubildenden an der Gesamtbelegschaft liegt bei etwa 25 Prozent. Den allenthalben beklagten Fachkräftemangel hält Müller für hausgemacht: „Wenn die Unternehmen in der Nachwuchsförderung, beispielsweise bei den Ausbildungs- oder dualen Studienplätzen, verstärkt ihrer sozialen Verantwortung gerecht würden, hätten wir keinen Fachkräftemangel.“ Der Alleinvorstand sieht den Aufbau der Firma im vierten Jahr ihres Bestehens als abgeschlossen an, die Mitarbeiter seien „aufeinander eingeschwungen“, wie er das nennt. Silberform biete von der Design- und Entwurfsphase bis zu 1:1-Modellen alles an. Auch der Bau von Prototypen und Sonderfahrzeugen gehöre zum Repertoire.

In diesem Jahr wird das Unternehmen laut Müller 16,5 Millionen Euro umsetzen. Nach einem Lernprozess von mehr als zwei Jahren habe Silberform 2013 erstmals schwarze Zahlen geschrieben, in diesem Jahr werde die Rendite ordentlich sein, sagt Müller. Fast der gesamte Umsatz resultiert aus den Aufträgen der Autobauer, Projekte aus der Luft- und Raumfahrtindustrie spielen keine nennenswerte Rolle. Silberform sieht sich im Wettbewerb mit Entwicklungsdienstleistern wie Edag in Wiesbaden oder der börsennotierten Bertrandt AG in Ehningen. Beide Unternehmen sind mit 7300 Mitarbeitern und einem Umsatz von etwa 630 Millionen Euro (Edag/2013), beziehungsweise 10 800 Mitarbeitern und 782 Millionen Umsatz 2012/2013 (Bertrandt) deutlich größer als Silberform.

Weitere Aufträge der Autohersteller stehen in den Büchern; deshalb eröffnet Silberform 2015 Standorte in Wolfsburg und Ingolstadt, 2016 kommt München hinzu. Die Belegschaft soll 2015 um 45 Mitarbeiter wachsen. VW, Audi und BMW haben die Designarbeiten von Silberform fest eingeplant.

Daimler-Gewächs mit Drang zur Selbstständigkeit

Karriere Jürgen Müller (53) hat seine Karriere 1976 bei Daimler begonnen, dort Karosseriebauer gelernt, wurde Konstrukteur in der Entwicklung, koordinierte in dem Autokonzern Prozessketten. Nach knapp 20 Jahren sagte er Daimler Lebewohl. Müller gründete 1994 die System Design GmbH, verkaufte die Design- und Entwicklungsfirma 2005 an die Daimler-Tochter MB-Tech und war anschließend dort noch tätig. 2010 übernahm er die insolvente Messmotech (Renningen) mit 44 Beschäftigten, benannte die Firma in Silberform um und investierte gemeinsam mit zwei Partnern sieben Millionen Euro.

Hobbys Jürgen Müller bezeichnet sich als Freund extremer Urlaube, er geht gerne mit seinem Unimog auf Expeditionen. Mit dem robusten Fahrzeug samt einer am Heck befestigten Motorrad-Geländemaschine war er beispielsweise ein halbes Jahr in Südamerika unterwegs, bevor er Silberform in Angriff nahm.