Das GSG soll erweitert werden. Dem Vorhaben könnte der Schulgarten zum Opfer fallen

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Sillenbuch - Lauch schmeckt Nina. Bis das Gemüse reif für den Kochtopf ist, muss sich die Elfjährige allerdings noch gedulden. Nina und ihre Freunde haben die Lauchpflänzchen ja eben erst in die Erde gesteckt. „Doch nicht alle zusammen, einzeln“, hat der Lehrer Peter Haas vorher gesagt. Also haben die Mädchen die Setzlinge rasch wieder ausgebuddelt und Stück für Stück im frisch geharkten Beet versenkt. Währenddessen kurvt Luis drüben mit dem Rasenmähertraktor Muster ins Gras. Willkommen im Schulgarten des Geschwister-Scholl-Gymnasiums (GSG).

 

Die Idylle ist über 20 Jahre gediehen. Nun hängen dunkle Wolken über den Obstbäumen, den Weihern und den Beeten. Denn die Stadt erwägt, den Schulgarten – der im Zwickel von Richard-Schmid-Straße und Kemnater Straße liegt – zu Bauland zu erklären. Das Gymnasium braucht dringend mehr Platz, die Schülerzahlen steigen und steigen. Speziell im naturwissenschaftlichen Unterricht geht es laut der Rektorin Irmgard Brendgen eng zu. Deshalb muss ein Anbau her. Wo der entstehen soll, ist noch unklar. Klar ist, dass der Garten mit seinen 2500 Quadratmetern eine Option ist.

Darüber ist am Mittwoch in nicht öffentlicher Runde gesprochen worden, bestätigt Karin Korn, die Leiterin des Schulverwaltungsamts. „Alle Beteiligten haben gesagt, dass dieser wunderschöne Garten erhalten bleiben muss“, sagt sie. „Die Stadt wird ihn auf keinen Fall opfern, wenn es eine andere Lösung gibt.“ Im Zweifelsfall entscheide sich die Stadt aber für Räume.

Schule bewusst von einer anderen Seite erleben

Peter Haas ist alarmiert. Der Biologielehrer unterrichtet am GSG seit mehr als 30 Jahren, und der Garten ist vor allem sein Zögling. Anfang der 90er hat der 59-Jährige mit dem Projekt angefangen; beim Mähen, Rechen und Ernten sollen die Schüler auf andere Gedanken kommen. „Sie sollen Schule bewusst von einer anderen Seite erleben“, sagt Haas. Zumal einige Kinder und Jugendliche heutzutage nicht mal wüssten, wo die Kartoffel wächst und wie der Apfelsaft in die Flasche kommt. Das Tolle an der Arbeit sei doch, sagt Haas, „dass man gleich ein Ergebnis sieht“.

Dass der Garten etwas Besonderes ist, ist keine Einzelmeinung von Peter Haas. In den 90er Jahren hat das Fleckchen Natur zwei Preise abgeräumt. Beim Landeswettbewerb „Gärtnern macht Schule“ hat das GSG zweimal den ersten Platz belegt. Vor fünf Jahren hat das Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg das Sillenbucher Gymnasium zum Vorbild auserkoren. Andere Schulen im Land sollen sich an den Nachwuchsgärtnern ein Beispiel nehmen und ebenfalls einen Garten anlegen.

Nun ist ausgerechnet dieser Vorzeigegarten in Gefahr. Ein Gedanke, an den sich die Rektorin Irmgard Brendgen nicht gewöhnen will. „Der Garten gehört zu uns“, sagt sie. „Die Schule dorthin zu erweitern, ist hoffentlich nur eine Möglichkeit von mehreren.“ Den Garten herzugeben, „ist für uns nur die letzte Alternative“, sagt sie.

Dreck scheint die Nachwuchsgärtner nicht zu stören

Der Garten hat es übrigens auch ohne die Pläne der Stadt nicht leicht. Heutzutage sollen Schüler in immer weniger Zeit immer mehr Stoff lernen. Da bleibt einiges auf der Strecke, was nicht Mathe, Deutsch oder Französisch heißt. „Eltern sagen oft, ihre Kinder sollten sich erst mal um ihre Noten kümmern, bevor sie bei der Garten-AG mitmachen“, sagt Biologielehrer Haas. Um am Ende nicht allein dazustehen, hat der Lehrer umdisponiert. Er trifft sich zwar nach wie vor einmal die Woche für eine Stunde mit Schülern im Garten. Doch er hat aus der AG flexible Interessengruppen gemacht.

Ninas Jeans hat an den Knien Erdflecken. Dass ihre Hose dreckig werden könnte, hat die Elfjährige beim Lauchpflanzen ausgeblendet. Schließlich sind Gärtner keine zimperlichen Leute. Sie tun, was getan werden muss. Nachdem das Gemüsebeet bestellt ist, sind die vertrockneten Gewächse auf der selbst gebauten Trockenmauer dran. Zusammen mit ihrer Freundin schnippelt Nina die braunen Überbleibsel in den Plastikeimer.

„Schaut mal da, schnell“, ruft Peter Haas. Er will den Mädchen das Pfauenauge zeigen, das am Teich gelandet ist. Bevor sie den Schmetterling erspähen, stiehlt ihm ein Star die Schau. Der Vogel hängt am Nistkasten. Dass Peter Haas vor Freude nicht klatscht, fehlt noch. „Der füttert seine Jungen.“ Das ist Biounterricht live.