Das Pianotopia Duo hat im Sillenbucher Augustinum klassische Werke in oft ganz eigener Art interpretiert. So gab es verjazzten Kompositionen von Mozart, Beethoven oder Debussy zu hören.

Sillenbuch - Beim Pianotopia Duo bekommt das wort „unplugged“ (nicht eingestöpselt) eine neue Bedeutung. Bezeichnet es üblicherweise den Wechsel von Elektro-Instrumenten zu akustischen, geht es bei Chris Geisler und Kurt Holzkämper um mehr. Auf Homepage und CD klingen die beiden Jazzer nämlich elektronisch und experimentierfreudig. Bei ihrem Auftritt im Augustinum wurde dagegen lediglich der Kontrabass verstärkt. Den verjazzten Kompositionen von Mozart, Beethoven oder Debussy tat das gut, das Publikum zeigte sich größtenteils zufrieden.

 

In vielen Genres zuhause

Chris Geisler, in Westerstede geborener Stuttgarter, ist ein Pianist, der in vielen Genres zu Hause ist. Seine Vorliebe für impressionistische oder Minimal Music ist allerdings deutlich zu spüren. Der Ludwigsburger Kurt Holzkämper spielt einen Semiakustik-Bass aus einer Werkstatt in Bramsche. Das Instrument mit seinem recht flachen Körper ist handlich, optisch ansprechend und verfügt über einen schönen, warmen Ton. Wird der Bogen aber, wie bei Bachs c-moll-Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier, durch eine Haushaltsbürste ersetzt, klingt es herrlich knarzig oder auch mal scheppernd. Das ist weit weg von Jacques Loussiers ersten Bachbearbeitungen aus den 1960er-Jahren und zugleich von einem ähnlich liebevollen Umgang mit dem Original geprägt.

Neben eigenen Stücken präsentierten die beiden klassische Kompositionen, wobei wohltuend auf allzu Bekanntes verzichtet wurde. In den Arrangements des Duos waren die ursprünglichen Werke meist nicht mehr zu erkennen: Werden Metrik oder Akkorde verändert und wird über dieser Grundlage improvisiert, entsteht völlig neue Musik. Das Eingangsstück, so klärte Chris Geisler das Publikum auf, war zum Beispiel ein Weihnachtslied („Josef, lieber Josef mein“) – und niemand hatte es bemerkt. „Gute Musik“, so meinte Kurt Holzkämper, „kann man nicht kaputt machen.“

Werk wird in Einzelteile zerlegt

Da wird das Prélude eines Alexander Skrjabin in seine Einzelteile zerlegt, da wird die Arabesque Nr. 1 von Claude Debussy in lange Passagen gedehnt. Das Flirrende dieses impressionistischen Komponisten scheint immer wieder auf, begleitet vom Scat-Gesang des Bassisten. Das ist träumerisch, anrührend, fast schon eine Pop-Version und dennoch nicht schmalzig.

Sehr schön gelang die Sonate c-moll von Beethoven, die Chris Geisler solo darbot. Fröhlich, mit kleinen Überraschungen versehen, bekam das Stück den nötigen Drive, den man vom Jazz gewohnt ist. Eine Erinnerung an Keith Jarrett und sein legendäres Köln Concert. Beim schlichten „Himmel“ von Kurt Holzkämper bot der Bass einen sängerischen Kontrast zur funkelnden Grundstimmung des Klaviers.

Seit mehr als 20 Jahren musizieren Geisler und Holzkämper zusammen

Dass die beiden seit mehr als 20 Jahren gemeinsam musizieren, war insbesondere der Pavane pour une infante défunte von Maurice Ravel anzumerken. Hier war das gute Einverständnis der genussvoll Improvisierenden mitzuerleben. Auch das Schwingende der Sonata facile in C-Dur von Mozart erwies sich als reizvoll, wobei das „facile“ ein Trugschluss ist: „Mozart ist immer schwierig“, meinte Pianist Chris Geisler dazu. Leises Lachen im Publikum belohnte die beiden Musiker für einen mitreißenden Schluss. Die Zugabe (Robert Schumanns „Nordisches Lied“) hätte auch von Charlie Haden, einem der größten Bassisten aller Zeiten, stammen können.