Alle zwei Wochen treffen sich Kritiker des Milliardenprojekts Stuttgart 21 im Sillenbucher Clara-Zetkin-Haus. Die Mitglieder des losen Zusammenschlusses „Schwabenstreich 70619“ erklären ihr Ansinnen nach wie vor nicht für verloren.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Sillenbuch - Der Widerstand organisiert sich behaglich bei Linsen und Spätzle und einem kühlen Bier. Und auch die roten Stuhlkissen versprechen einen bequemen Abend. Dann hat es sich aber auch schon mit gemütlich, denn die „Initiative Schwabenstreich 70619“ möchte vor allem eines sein: ungemütlich.

 

Alle 14 Tage treffen sich mal mehr, mal weniger Menschen im Clara-Zetkin-Haus, um den Widerstand zu organisieren. Den Widerstand gegen das Milliardenprojekt Stuttgart 21. Und darin haben die eher älteren Semester Routine. Der Sillenbucher Schwabenstreich wird im Sommer fünf Jahre alt. Was 2010 auf Initiative der prominenten S 21-Kritiker Walter Sittler und Volker Lösch als tägliche Lärmminute vor der Liliencron-Apotheke begann, ist heuer eine Zusammenkunft alter Bekannter.

Böse Zungen könnten behaupten, es habe sich wohl noch nicht bis ins Sillenbucher Waldheim herumgesprochen, dass sich die Welt weitergedreht hat. Im November 2011 haben sich die Baden-Württemberger per Volksentscheid mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass das Land das Projekt weiter finanzieren soll. Und auch die Baustellen – wie der gigantische Tunnelmund am Fasanenhof – sind kaum zu ignorieren.

Die Chancen für ein Projektende stünden gut

Trotz alledem – die Leute vom Schwabenstreich geben ihr Ansinnen nicht verloren. Dieter Wolf sagt, während er die Saitenwurst zerschneidet, dass die Chancen für einen Ausstieg aus dem Großprojekt zurzeit sehr günstig seien. Er und die anderen haben von einer Umfrage gehört, in der die Leute gefragt worden seien, ob Stuttgart 21 vielleicht doch abgebrochen werden soll. „Weil es jetzt so kompliziert wird“, sagt Wolf und meint die hitzige Debatte um den Filderabschnitt.

Wolf ist einer der Organisatoren der Sillenbucher Initiative, die weder ein Verein ist noch über ein festes Budget verfügt. Gilt es etwas zu bezahlen, greifen die Mitglieder dafür in die eigene Tasche.

Wie nun für die 2000 Flyer, die der andere Organisator, Reinhard Bouché, hat drucken lassen. Sie werben für eine Veranstaltung des Sillenbucher Schwabenstreichs am 18. März. Sie haben den bekannten Projektkritiker Christoph Engelhardt als Redner gewinnen können. So eine Veranstaltung „läuft nicht von allein“, sagt Wolf. Weshalb die Initiative das aktuelle Treffen nutzt, um Aufgaben zu verteilen. Die da unter anderem wären: Wer bringt Sprudel für den Referenten mit? Wer baut Stühle auf und ab? Wer sammelt Spenden? Wer begrüßt die Gäste?

Quo vadis Schwabenstreich?

Stuttgart 21 ist zwar Thema Nummer eins, wenn die Freundinnen und Freunde des Kopfbahnhofs, wie sie sich selbst nennen, im Zetkin-Haus zusammenkommen. Doch auch das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP oder der Protest gegen Atomkraft haben hier Platz. „Wer fährt am Sonntag mit zur Demo nach Kirchheim?“, fragt eine Frau in die Runde. Am 11. März jährt sich die Katastrophe von Fukushima zum vierten Mal. Und dann ist noch die Frage zu klären, ob der Schwabenstreich am 21. März einen Info-Stand zu TTIP macht, da sei ein bundesweiter Aktionstag, berichtet Irene Kamm den anderen. „Wir sind doch der Schwabenstreich und nicht der TTIP-Streich“, wirft Dieter Wolf ein. Er findet die Materie zu kompliziert und wolle sich zunächst besser informieren – „bevor wir uns darauf einlassen“, sagt er.

Als viel wichtiger erachtet er, dass sich die Initiative mit dem auseinandersetzt, „was wir erreicht haben, wo wir stehen und wohin es gehen soll“. Eine solche Richtungsdebatte gebe es derzeit auf oberster Ebene der K 21-Bewegung. Dieter Wolf sagt, der Schwabenstreich sollte sich entsprechend positionieren. „Diese Diskussion können wir uns nicht ersparen.“ Ein Ergebnis dürfte bereits feststehen: nicht nur oben bleiben, sondern auch ungemütlich bleiben.