Polenböller sind bei Pyrotechnik-Fans beliebt und bei Polizei und Feuerwehr gefürchtet. Wir erklären, woher die illegale Pyrotechnik stammt und was sie so brandgefährlich macht.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Alle Jahre wieder vor Silvester warnen Experten vor Polenböllern – illegaler Pyrotechnik aus dem Ausland. Nach Aussage von Christian Lohrer von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin enthalten sie häufig einen Blitzknallsatz, der wegen seiner chemischen Zusammensetzung sehr viel stärker als herkömmliches Feuerwerk reagiert.

 

Damit gehen höhere Temperaturen und ein heller Lichtblitz einher. Explodiert so ein Knaller in der Hand, drohen schwere Verletzungen wie der Verlust von Fingern. Pyrotechnik-Experte Lohrer rät deshalb zum Kauf von Feuerwerk „Made in Germany“ – „in vertrauenswürdigen Läden“ und nicht etwa aus Kofferräumen an dunklen Autobahnparkplätzen.

Fast 140 Millionen Euro für Knallerei

Nach Angaben des Verbandes der pyrotechnischen Industrie (VPI) liegen die Silvesterumsätze 2018 mit rund 137 Millionen Euro auf dem Niveau des Vorjahres.

Die Fahnder der Bundeszollverwaltung beschlagnahmen immer mehr verbotene Böller und Raketen. Allein im vergangenen Jahr seien mehr als 150 000 große Feuerwerkskörper sowie 1,85 Tonnen kleinteiliges Feuerwerk wie zum Beispiel einzelne Böller sichergestellt worden, berichtet Ruth Haliti, Sprecherin für den Zollfahndungsdienst.

Unglücke mit Feuerwerk können im schlimmsten Fall tödlich enden. So starben Silvester 2017/18 in Brandenburg unabhängig voneinander zwei Männer an ihren schweren Verletzungen. Im dortigen Grenzgebiet zu Polen finden Zollfahnder immer häufiger Großfeuerwerk und illegale Pyrotechnik in Privatautos und Kleinlastern.

Immer mehr illegale Pyrotechnik im Netz

Bei einer grenzübergreifenden Razzia von deutschen, niederländischen und polnischen Zollfahndern Anfang Dezember wurden in Deutschland 27 000 Feuerwerkskörper mit 315 Kilogramm Sprengstoffmasse sichergestellt. „Der Inhalt ist absolut lebensgefährlich“, betont ein Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft. „Die Käufer wissen gar nicht, auf was sie da sitzen.“ 57 Verdächtige wurden festgenommen. Die Hintermänner betrieben einen florierenden Online-Shop in Polen, der inzwischen dicht gemacht worden ist.

Nach Aussage von Zoll-Sprecherin Ruth Haliti stammt das brisante Material vor allem aus China. Es wird aber auch in Polen, der Tschechischen Republik und Italien hergestellt und überwiegend an der deutsch-polnischen Grenze sowie über das Internet verkauft. Nirgendwo wird mehr illegale Pyrotechnik beschlagnahmt als im Gebiet des Hauptzollamts Frankfurt Oder.

Aufgrund der leichten Verfügbarkeit und der medialen Präsenz im Netz sei es auch für Minderjährige sehr leicht, an illegales Feuerwerk zu kommen, so Ruth Haliti. Die heiße Ware werde per Paketdienst an die Käufer geliefert, ohne dass jemand davon etwas mitbekommt.

Nur Feuerwerk der Kategorie F1 und F2 ist erlaubt

Den Ermittlern zufolge geht vor allem von den sprengkräftigen Böllern der Kategorie F3 und F4 eine große Gefahr aus. Die als Polen- und Tschechenböller bekannten Kracher sind bei Pyrotechnik-Fans ebenso beliebt wie bei Polizei, Zoll und Feuerwehr gefürchtet.

Organisierte Kriminelle setzen beim Vertrieb zunehmend auf den Internethandel. Über die Zusammenarbeit mit Postfirmen sei die Zollfahndung auch an diesem Phänomen dran. Schwieriger sei es hingegen, kleine Internet-Bestellungen von Privatleuten im EU-Ausland zu verhindern, erklärt Ruth Haliti.

Illegale Pyrotechnik enthält deutlich mehr Sprengstoff als die zugelassenen maximal drei Gramm Schwarzpulver in handelsüblichen Böllern. Die aus einem Blitzknallsatz (brandfördernde Substanzen, sogenannte Oxidatoren), Kaliumperchlorat und Aluminiumpulver zusammengesetzten Explosivkörper können jederzeit vorzeitig hochgehen. Dabei detonieren sie mit einem lauten Knall und hellem Lichtblitz.

Erhebliche Verletzungen bei Explosion

Die Bundesanstalt für Materialforschung warnt: „Diese Pyrotechnikartikel können zu erheblichen Verletzungen führen.“ Die Zündschnüre würden nicht überprüft und könnten extrem schnell abbrennen, so dass kaum noch Zeit bleibt, sich schnell in Sicherheit zu bringen.

Auf polnischen Märkten sind selbst Profiböller der Klasse 3 und 4 problemlos zu haben, die in Deutschland nur für ausgebildete Pyrotechniker zugelassen sind. Mit Rohrbomben und Knaller-Batterien, die es locker auf 20 Kilogramm bringen, können ganze Autos in die Luft gejagt werden.

In Deutschland dürfen Feuerwerkskörper der Kategorie 1 (Knallerbsen, Wunderkerzen, Partyknaller) das ganze Jahr über auch an Zwölfjährige an verkauft werden. Pyrotechnik der Kategorie 2 (Raketen, Batterien, Knallkörper) ist ab 18 Jahren vom 28. bis 31. Dezember erlaubt – in Polen hingegen das ganze Jahr über.

Vor allem Fußballfans decken sich gerne auf den Märkten grenznaher Orte mit XXL-Feuerwerk ein, um sie während der Spiele oder außerhalb des Stadions zu zünden.

Bis zu drei Jahren Haft

Wichtig ist, nur geprüfte Ware mit CE-Zeichen, der Registriernummer (die über Stelle informiert, welche die Pyrotechnik geprüft hat), und deutscher Gebrauchsanweisung zu kaufen. In Deutschland ist die Bundesanstalt für Materialforschung für die Zertifizierung zuständig.

Wer illegale Feuerwerks- und Knallkörper nach Deutschland schmuggelt, kann hart bestraft werden. So sind nach dem Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe bis zu zu drei Jahre Gefängnis möglich. Außerdem müssen Schmuggler für die fachgerechte Entsorgung durch Sprengstoffexperten aufkommen, was teuer werden kann.