Auf Spurensuche zum letzten Tag des Jahres in der kleinen Silvesterkirche in Weil der Stadt-Hausen.

Weil der Stadt - Schon als kleiner Junge ist Dieter Knapp gerne hier hoch gelaufen. 1959 wurde die Kirche in Hausen generalsaniert. „Deshalb war immer was los“, erinnert er sich. Gebannt verfolgte die Dorfjugend, was die Bauarbeiter machen. „Die Kirche stand eben im Mittelpunkt. So ist das in einem kleinen Dorf.

 

Auch heute noch hat Hausen nur etwas weniger als 1000 Einwohner. Autofahrer kennen den Ort, weil sie sich auf dem Weg nach Heimsheim und zur Autobahn noch immer über die schmale historische Würmbücke von 1777 quälen müssen.

Weniger bekannt ist das zweite Kleinod. Wer zur Kirche des Orts will, muss eine kleine Anhöhe hinauflaufen, schließlich ein paar Stufen aus Buntsandstein. Hier steht die Hausener Silvesterkirche. Um die Kirche schmiegt sich der Friedhof – so, wie es früher überall war. Ein Besuch lohnt sich, nicht nur am letzten Tag des Jahres, wenn dieses Kirchlein Patrozinium feiert, also dem ihm gewidmeten Heiligen gedenkt.

Eine Dorfkirche verschmilzt mit dem Leben der Menschen im Dorf

Dieter Knapp, der alte Hausener kennt die Kirche wie seine Westentasche. Mit ihm ist auch seine Frau Heidi gekommen, die hier 15 Jahre lang Mesnerin gewesen ist, und Anneliese Wirmitzer, die frühere Organistin. Ihnen erklärt er die Besonderheiten. So eine Kirche, die verschmilzt mit dem Leben der Menschen im Dorf, gehört dazu. Hier ist Taufe, dann Konfirmation. „1978 sind wir hier als Brautpaar reingelaufen“, sagt Dieter Knapp und schaut zu seiner Frau. Bei allen Festen und allen normalen Sonntagen mit dabei: Silvester. Denn diesen Heiligen, den gibt es hier in der Tat auch zu bestaunen, auch wenn er sich etwas versteckt.

„Schauen Sie mal nach oben“, verrät Anneliese Wirmitzer. Tatsächlich, dort wo die spitzen Streben des Gotikgewölbes zusammenlaufen, thront im Schlussstein ein Bischof mit Bischofsstab, Krone, rotem Gewand und grüner Bibel. Der letzte Tag des Jahres heißt nämlich Silvester, weil diesem Heiligen an diesem Tag gedacht wird.

Ein Kleinod ist die Silvesterkirche in Hausen. Foto: factum/Granville
Allzu viel gibt es über Silvester nicht zu erzählen. Das Gewand in der Hausener Kirche deutet schon auf seine Funktion hin: Er war Bischof – nicht irgendeiner, sondern Bischof von Rom, also Papst. Bis 335 übte er dieses Amt aus. Schriften oder Zeugnisse sind von ihm nicht erhalten.

314 hat er das Papstamt angetreten, ein Jahr, nachdem der römische Kaiser Konstantin der Große die grausame Christenverfolgung beendet hatte. „Diese Ereignisse – oft legendär überhöht – begründen Silvesters Bedeutsamkeit, sein eigenes Wirken hat dazu wenig beigetragen“, heißt es wenig schmeichelhaft im Ökumenischen Heiligenlexikon. Nicht einmal zum berühmten Konzil von Nicäa im Jahre 325 ist der Papst angereist.

Silvesterkirchen gibt es wenige

Silvesterkirchen gibt es wenige. Nördlich von Konstanz nur zwei, nämlich in Gebersheim und eben in Weil der Stadt-Hausen. Wie es dazu kam, lässt sich nur vermuten, weil es keine schriftlichen Quellen gibt. Tatsache aber ist, dass der heilige Silvester auch für das Kloster Hirsau wichtig war.

Im 12. Jahrhundert hatte Hausen noch einen eigenen Dorfadel. Heinrich von Hausen schenkte Hirsau ein Gut und Berward, einer seiner Verwandten, trat in Hirsau ein. Um 1100 war das. Damals ist wohl die Silvester-Tradition aus Hirsau nach Hausen gekommen, auch wenn sie 1438 erstmalig belegt ist.

Heute ist Martin Jetter der evangelische Pfarrer in Hausen. Der heilige Silvester steht zwar nicht im Mittelpunkt seiner Verkündigung, die Kirche hat es ihm dafür umso mehr angetan. „Ich predige sehr gerne in kleinen Dorfkirchen“, sagt Jetter. „Ich fühle mich hier sehr wohl.“ Der Pfarrer ist in der kleinen Kirche näher an den Menschen, auch wenn es manchmal nicht ganz so viele sind. Selbst an Heiligabend bekommt man hier noch einen Platz.

Geschichte wiederholt sich doch gelegentlich. Denn, nachdem Dieter Knapp als kleiner Junge eine Kirchenrenovierung erlebt hat, steht sie nun wieder an. Das Dach ist undicht, auch im Inneren stehen Baumaßnahmen an. Das Dach wird gerichtet, eine neue Heizung eingebaut, die Wände werden gestrichen. „Derzeit stellen wir den Antrag beim Denkmalamt“, berichtet Pfarrer Martin Jetter. Er rechnet mit Kosten von 400 000 Euro, von denen die Kirchengemeinde die Hälfte selbst stemmen muss.