Trainer, Spielerberater, Fernseh-Experte, Repräsentant oder einfach nur Privatier mit gut gefülltem Konto: Das sind typische Werdegänge eines Fußballers nach der Profikarriere. Der einstige deutsche Meister Silvio Meißner geht einen völlig anderen Weg.

Saarbrücken - Nein, in die 16 Trainer, die sein Ex-Club VfB Stuttgart seit 2010 hatte, würde sich Silvio Meißner nicht einreihen wollen. „Da mache ich lieber so etwas“, sagt der 47 Jahre alte frühere Fußballprofi und deutsche Meister und zeigt um sich. „Da habe ich mehr davon.“ Saarbrücken, ein schmales Haus über drei offene Stockwerke in einer Gasse. „Die Alltagsbegleiter“ haben hier ihren Sitz. Meißner ist der örtliche Geschäftsführer.

 

„Wir sind für Sie da, wann und wo immer Sie uns brauchen“, steht auf einem Plakat im Eingangsbereich. Meißner hat hier vor einem Jahr mit zwei Mitarbeitern angefangen, inzwischen sind es über 20 - und 760 Kunden. Die „Alltagsbegleiter“ helfen kranken und alten Menschen und solchen, die in sozialer Not stecken - oder deren Angehörige einfach mal entlastet werden müssen. Putzhilfe, Einkäufe, Arztbesuche, Umzüge, Behördengänge und und und... Der Bedarf ist riesig. Die Pflege ist oft geregelt, alles andere fällt aber schnell mal hinunter im Sozialsystem.

Meißner hat Mappen mit Protokollen der Erstgespräche auf dem Tisch: welche Krankheit, welche Medikamente, welche Bedürfnisse? Der älteste Patient ist über 100. Ein anderer schreibt Briefe mit der Schreibmaschine, was gut läuft in der Betreuung und was nicht. Meißner und seine Mitarbeiter haben schon Messi-Wohnungen aufgeräumt und erlebt, „dass Türen nicht aufgemacht werden“. Er ist selbst auch viel draußen. Vieles laufe richtig gut in Deutschland, „aber manches halt auch nicht. Manche haben einfach nichts im Kühlschrank. Das ist traurig. Wir sehen schon auch grausame Sachen“.

Vom Porsche zum Familienwagen

40 bis 50 Stunden in der Woche arbeitet er für die „Alltagshelfer“. Was er dabei verdient sei „in Ordnung“, erklärt der frühere Profi von Arminia Bielefeld, des VfB Stuttgart und 1. FC Kaiserslautern, ohne genau Angaben zu machen. Nur soviel: ein „bisschen Privatvermögen“ habe er auch reingesteckt in seine neue Lebensaufgabe. Als Fußballer fuhr Meißner einst einen Porsche, längst ist der dreifache Vater auf einen Familienwagen umgestiegen.

Natürlich genoss Meißner lange die Vorzüge als Bundesliga-Spieler, aber er kannte auch schon vor seinem jetzigen Lebensabschnitt andere Verhältnisse: In Halle/Saale ist er in bescheidenen Verhältnisse aufgewachsen, „nicht mal einen Ball“ habe er damals gehabt.

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Die „Alltagsbegleiter“ gegründet hat vor vier Jahren Jens Krieger. Der ehemalige Vertriebsleiter eines italienischen Reifenherstellers hatte einen Burnout und wollte endlich etwas tun, „was Spaß macht“. Und Erfüllung bringt. 2016 gewann er einen Innovationspreis. „Der Bedarf besteht bundesweit“, so Krieger. Sein Projekt ist mittlerweile an sieben Standorten vertreten.

Finanziert werden die Leistungen der Helfer über den so genannten Entlastungsbeitrag der Kassen, der Menschen ab Pflegegrad 1 zusteht, wenn sie zuhause gepflegt werden - für monatlich 125 Euro beziehungsweise vier Stunden Hilfe im Monat. „Silvio Meißner hat eine große Empathie und ein soziales Denken. Und er hatte den richtigen Weitblick, sich von der geldgierigen Fußball-Szene zu lösen“, sagt Krieger.

„Silvio ist nicht abgehoben“

Meißners erster Kunde war Hartmut Raßbach. Der 55-Jährige aus Saarbrücken hat unter anderem Parkinson. Mit einer Haushaltshilfe der „Alltagsbegleiter“ ist er „sehr, sehr zufrieden“, außerdem dankbar dafür, dass Meißner auch die Schirmherrschaft für seine Selbsthilfegruppe übernommen hat. Den Ex-Profi kannte er früher nur aus dem Fernsehen, heute sagt er: „Silvio ist nicht abgehoben, einfach ein ganz normaler Mensch.“

Nach seinem Karriereende 2008 war Meißner auch ein paar Jahre als Spielerberater tätig - wie so viele Ex-Profis. Manchmal kickt er noch für die VfB-Traditionsmannschaft oder organisiert Nachwuchs-Camps für die Schwaben im Ausland. Aber mit dem Profigeschäft hat er abgeschlossen. „Es ist ja alles noch viel schlimmer geworden. Die Spieler werden mit Geld zugeschüttet. Und manchmal ist es wichtiger, zehn Tattoos zu haben, als sich auf dem Platz den Arsch aufzureißen.“

Das Geld und der Ruhm der Vergangenheit, sein Meister-Triumph 2007 mit dem VfB - alles schön und gut. „Lebensinhalt braucht man trotzdem. Man blüht auf in diesem Job und denkt über viele Sachen anders.“