Ein Meisterkoch kehrt zurück: Nach Wanderjahren und als Tourkoch der Toten Hosen führt Simon Metzler jetzt in dritter Generation den Familienbetrieb in der Gaststätte Bürgerbräu in Überlingen.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Überlingen - Generationenwechsel sind immer schwierig, weil verschiedene Vorstellungen aufeinanderprallen“, sagt Simon Metzler. Das gilt für Familienunternehmen im Allgemeinen und in der Gastronomie im Besonderen. Im Bürgerbräu in Überlingen hat der fließende Übergang letztlich gut funktioniert, auch wenn der Junior wegen seiner Änderungen und seines Aussehens – früher gab es zum Rasputin-Bart und den Tattoos noch einen Irokesenschnitt – anfangs als „Bürgerschreck“ galt. Doch wütende Mails („Der soll erst mal zum Friseur gehen!“) und die Abwanderung von Stammtischgästen sind mittlerweile Geschichte. Die Überlinger haben sich nicht nur an den Koch und seine unkonventionelle Küche gewöhnt – sie wissen sie ebenso zu schätzen wie die überregionalen Gourmetführer.

 

Nach Jahren in Berlin und München kehrte Metzler zurück

Selbstverständlich war der Erfolg nicht, ebenso wenig wie der Umstand, dass Simon Metzler Koch wird und nach Jahren bei den „Jungen Wilden“ in München oder als Mitglied der „Roten Gourmet Fraktion“ in Berlin zurück in die Heimat an den Bodensee kehrt, um schließlich 2010 den Betrieb in dritter Generation zu übernehmen. Schon 1812 wurde hier im „Dorf“ genannten Teil Überlingens ausgeschenkt. 1893 brannte das Fachwerkhaus nieder, seit 1935 haben im neu errichteten Schmuckstück die Metzlers das Sagen. Und obwohl nun Simon Metzler Eigentümer des kleinen Hotels und Küchenchef im Haus ist – so ganz konnten die Eltern Manfred und Monika doch nicht von ihrem Bürgerbräu lassen. Sie sind weiter präsent und unterstützen ihren Sohn wie auch die Schwiegertochter Katja, die eigentlich Heilpädagogin ist. Denn es gibt ja noch die vierte Generation: Lina und Mia sind drei und vier Jahre alt. Ein echter Familienbetrieb also, dabei war Simon Metzlers Leben lange Zeit Rock ’n’ Roll, nicht nur auf Tournee mit den Toten Hosen, die er ebenso bekochte wie vor manchen Konzerten die Spaßpunker der Ärzte. „Das war in jeder Hinsicht extrem“, sagt der Hardcore-Fan, der privat deutlich Härteres wie „Sick of it all“ oder „Agnostic Front“ hört.

Die Küche musste immer irgendwo aufgebaut werden

„Ich war morgens der Erste und abends der Letzte.“ Denn für einen Tourtross von 120 Leuten drei verschiedene Essen anzubieten – Fleisch, Fisch, vegetarisch –, bedeutete auch, eine Küche in irgendeiner Halle auf- und wieder abzubauen. Aber Metzler war schon einiges gewohnt: Nachdem er als ersten Job in Berlin das Catering für die RTL-Serie „Hinter Gittern“ übernommen hatte, folgte er Filmcrews an deren Drehorte. Als mobile Küche diente ein umgebauter 7,5-Tonner, und Metzlers erste Fragen waren immer: „Wo bekomme ich Strom her? Und wo Wasser?“ Nebenbei lernte er die kulinarischen Vorlieben von Schauspielern wie Sebastian Koch, Hannes Jaenicke, Simone Thomalla oder Hardy Krüger jr. kennen, aber: „Das war alles ziemlich unkompliziert.“

Zu Komplikationen kam es erst danach mit den Geschäftsführerinnen eines Szenerestaurants am Alexanderplatz, in dem Metzler als Küchenchef angestellt war. So wuchs der Wunsch in ihm, sein eigener Herr zu sein, und obwohl er gerne in Berlin lebte, keimte mit einem Mal der Gedanke: Warum nicht daheim im Bürgerbräu am Bodensee? Das lag zwar nahe – und doch hätten selbst seine Eltern nicht mit der Rückkehr des Sohnes gerechnet, der als Kind sogar im Gasthaus wohnte und mit 16 eher aus Verlegenheit den Entschluss fasste, eine Lehre als Koch zu machen. Heute mit 35 Jahren kann Metzler sagen: „Ich bin definitiv angekommen und habe meinen eigenen Stil gefunden.“ Ihn ziehe es nirgendwo mehr hin.

Der „Junge Wilde“ Stefan Marquard erwies sich als Glücksfall

Ein Glücksfall für seine Laufbahn war der Mitbegründer der „Jungen Wilden“, Stefan Marquard. Der Tausendsassa zelebrierte in den 90er Jahren eine sehr gehobene Küche in den Drei Stuben in Meersburg, wo Metzler seine Ausbildung absolvierte. Nach einem Zwischenspiel im Allgäu bei Frank Oehler, dem heutigen Sternekoch der Alten Speisemeisterei in Hohenheim, folgte er Marquard nach München. Der übernahm dort das Restaurant Lenbach – mit 360 Sitzplätzen. „Wie er suchte ich die Herausforderung, auch wenn alle dagegen waren.“ Für Metzler aber waren die anderthalb Jahre „eine super Erfahrung“, was Abläufe und Logistik angeht – als einer von 28 Köchen mit Banketts für bis zu 2500 Gästen. „Alles mit frischen Produkten und vielen Handgriffen.“

Geblieben ist aus den Lehr- und Wanderjahren zum einen die Vorliebe für die Cucina Casalinga, die Landküche Italiens. Zum anderen aber stehen weiter wilde Kreationen und kontrastreiche Aromen der auch asiatischen Küche auf der Karte im Bürgerbräu, ergänzt von wieder entdeckten deutschen Schmorgerichten. Auch räumlich gesehen hat der Juniorchef nach und nach sanft erneuert, so dass die ältere Generation nicht zu sehr erschreckt und gleichzeitig eine jüngere interessiert wird. Gelungene Kombination aus Tradition und Moderne bezeichnet man gemeinhin etwas abgegriffen das, was Metzler gute Bewertungen einbrachte. 15 Punkte hat er für seine Kochkunst im „Gault Millau“ 2011 bekommen, was durchaus sternewürdig ist – doch 2012 wurde er mit beleidigenden Worten herabgewürdigt. Aktuell steht er bei immer noch guten 13 Punkten, aber er habe „den Glauben daran verloren“ und Bewertungen seien ihm inzwischen egal.

Somit ziert kein Aufkleber eines Gastroführers wie anderswo die Eingangstür. Eine Touristenfalle ist das Bürgerbräu ohnehin nicht, weil es als Ganzjahresbetrieb oben im „Dorf“ und nicht an der Seepromenade liegt. Zwar gibt es viele Eingeweihte von außerhalb, aber in erster Linie ist und bleibt man eine gute Adresse für Einheimische – wie seit Generationen.