06.04.2017 - 12:26 Uhr
„Tosca“ gehört zu den meistgespielten Opern überhaupt. Was können Sie darin entdecken?
Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, die Oper zu dirigieren und zu singen. Die Solisten, allesamt kluge Sängerdarsteller, haben große Freiheiten. Unsere Tosca Kristine Opolais hat eine großartige Stimme, aber sie setzt sie sehr differenziert ein. Ich besitze zwar schon seit langem die Partitur, habe aber nie zuvor hineingeschaut. Puccini hat an manchen Stellen ein vierfaches Piano geschrieben – vielleicht als erster Komponist überhaupt. Das hat mich sehr überrascht.
„Tosca“ ist die letzte Oper, die Herbert von Karajan mit dem Orchester erarbeitete. Spüren Sie in den Proben noch den opulenten Karajan-Klang?
Wir haben zwar rund fünfzehn Orchestermitglieder, die noch unter Karajan gespielt haben, aber den speziellen Sound höre ich nicht. Karajan hatte schon ein ganz besonderes Gespür für diese Oper und die Sänger, die mit ihm arbeiteten. Und für die Klangfarben, die gerade bei Puccini immens wichtig sind. Bei dieser Oper hat er das Tempo immer weiter zurückgenommen. Ich mache eher das Gegenteil davon. Ich höre die Karajan-Aufnahme sehr gerne, aber es ist nicht meine Sichtweise. Ich bin mit der Einspielung von Victor de Sabata aus dem Jahr 1953 groß geworden. Das ist das andere Extrem.
Im Sommer 2018 werden Sie als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker aufhören. Inwiefern hat sich das Orchester verändert?
Es hat jetzt einen weiteren Horizont, eine größere Bandbreite als vorher. Die Musikerinnen und Musiker haben vieles entdeckt. Und das meiste davon mit großem Vergnügen.
Was haben Sie vom Orchester gelernt?
Wie viel Zeit haben Sie? (lacht) Da gibt es so Vieles. Ich habe eine Menge erfahren dürfen über Tiefe in der Musik und das Atmen im Orchester. Das war und ist wirklich ein Privileg.