Peter Schäfer betreibt in Kernen eine Lounge mit Autorennsimulatoren. Seine Kunden lassen virtuelle Boliden über maßstabsgetreue Strecken rasen – wir haben eine Testfahrt unternommen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Der Mercedes-AMG GT3 röhrt durch eine Kurve des Red-Bull-Rings. Der Tacho zeigt rund 120 Sachen – ein Hauch zu schnell. Der 404-KW-Bolide bricht am Heck aus, kommt ins Schleudern – und landet frontal in der Streckenbegrenzung. Die Wucht des Aufpralls erschüttert das Lenkrad. Peter Schäfer grinst: „Ich gebe dir mal einen neuen Wagen.“ Vier zerstörte Autos später bereiten die meisten Kurven zumindest keine allzu schweren Probleme mehr. Die Rundenzeiten sind allerdings trotzdem noch jenseits von Gut und Böse.

 

Im echten Leben hätte das einen Schaden in Millionenhöhe verursacht – gut, dass wir nur eine Testfahrt in einem der Racing-Simulatoren von Schäfer unternehmen. Der 57-Jährige betreibt in Kernen „Pits Simracing“ – eine Lounge für Fans von virtuellem und echtem Motorsport. Schon die Einrichtung erfreut das Herz von Motorheads: In der Ecke steht eine Harley Davidson, neben der Snackbar dienen Reifen und Ölfässer als Tische. Das Herzstück sind aber die vier Simulatoren. Vier Rennsitze mit großen Bildschirmen, Lenkrädern, Pedalen und Schalterboxen, jeweils angeschlossen an leistungsstarke Computer. Über dem Eingang prangt ein riesiger Bildschirm, es läuft ein kommentiertes Sechs-Stunden-Rennen. Virtuell, aber professionell kommentiert.

Von einem Kinderspielzeug sind die Simulatoren weit entfernt

Peter Schäfer ist eigentlich gelernter Bestatter. „Dort bin ich jetzt gewissermaßen in Altersteilzeit, aber noch zu jung für die Rente“, sagt er – für ihn war das der Ansporn, sich einen Traum zu erfüllen. „Ich mochte schon immer alles, was fährt und Krach macht. Egal, ob es zwei, drei oder vier Räder hat“, sagt der Kernener mit dem geflochtenen Vollbart. Als 25-Jähriger hatte er sich einen 200-PS-Käfer gekauft, auch Motorrad und Sportwagen ist er schon gefahren. „Mit einer echten Rennfahrerlizenz wird es bei mir halt aus gesundheitlichen Gründen nichts. Eines Tages habe ich dann einen Bericht über das Simracing gesehen.

Virtuelle Autorennen, was manche für simples Gedaddel für Kids halten mögen, ist längst ein echter Geschäftszweig. Ein Blick in den gut sortierten Fachhandel für virtuelle Rennfahrer offenbart Sitze für 350 Euro aufwärts, für mehrere hundert Euro Aufpreis gibt’s Gestelle für Monitore, Lenkräder, Schalthebel et cetera dazu. Wer ein High-End-Lenkrad will, zahlt auch mal gut 1000 Euro und mehr – und bekommt dafür schier unzählige Knöpfe, Drehschalter und eine Gangschaltung wie beim echten Rennwagen. Während es für Einsteiger all die Kontrollgeräte auch in günstigen Ausführungen gibt und auch das Fahren vom Bürostuhl möglich ist, bleibt ein leistungsstarker Rechner nebst guter Grafikkarte für die Simulationssoftware allerdings Pflicht.

Während Corona boomten simulierte Autorennen

Mit verantwortlich für den Erfolg der virtuellen Autorennen dürfte auch die Coronapandemie mit Lockdown und Co. gewesen sein. Denn als die Rennveranstaltungen ausfielen und die Trainingsmöglichkeiten beschränkt waren, suchten sich viele Racingbegeisterte eine neue, kontaktlose Variante ihres Sports. Statt echter Sportwagen ließen sie virtuelle Lamborghinis, Ferraris, Mercedes und viele mehr über die hochauflösende Pixelstrecken rasen. Im Herbst 2020, quasi zeitgleich mit Peter Schäfers Geschäftsstart, startete der ADAC mit der Austragung des „Simracing Cup“. Seitdem messen sich in mehreren Ligen, die sich nicht nur durch das Alter der Teilnehmer, sondern auch durch die gefahrenen Fahrzeugklassen unterscheiden. Das Reglement orientiert sich am realen professionellen Motorsport.

Die Programme, die die unterschiedlichen Rennklassen simulieren, haben in den vergangenen Jahren große Schritte nach vorne gemacht. Nicht nur die Grafik wurde immer besser, sodass Screenshots aus den Spielen oft kaum noch von echten Fotos zu unterscheiden sind. Auch das Fahrverhalten in solchen Simulatoren ist äußerst realistisch. „Von der Boxenstopp-Strategie über die Traktionskontrolle oder die Getriebeübersetzung – all das lässt sich optimieren und beeinflusst das Fahrverhalten“, erklärt Schäfer. Echte Rennfahrer nutzen die fotorealistischen und maßstabsgetreuen virtuellen Rennstrecken solcher Simulatoren, um sich Zeit- und kostensparend auf den realen Streckenverlauf vorzubereiten.

Peter Schäfer hat drei unterschiedliche Kundenkreise. So reist er mit seinen Simulatoren regelmäßig zu Events, um zum Beispiel Messeständen aus der Autobranche Zulauf zu bescheren. Dann wieder trainieren bei ihm ehrgeizige junge Sportler, die von Kernen aus auch an internationalen Wettkämpfen teilnehmen können. Bei Schäfer werden sie sogar von Robin Rein, einem 18-jährigen Simracing-Profi, betreut. „Neulich sind wir von hier aus bei einem Sechs-Stunden-Rennen mitgefahren – da war vielleicht was los“, schwärmt Schäfer. Und dann gibt es noch Familien, die die Lounge mieten und sich eine oder zwei erlebnisreiche Stunden gönnen wollen. „Neulich war hier auch ein 60-Jähriger, der schon immer mal BMW fahren wollte. Er ist dann mit 60 Stundenkilometern über den Nürburgring. Und er hatte genau so viel Spaß wie alle anderen auch“, sagt Schäfer – und strahlt dabei selbst.

Simracing Informationen zu Peter Schäfers Rennsimulatoren finden sich im Internet unter www.pits-simracing.de .