Die Stadt Sindelfingen hat einen verkaufsoffenen Sonntag beschlossen. War das Rathaus dabei sorgfältig genug? Der Verwaltungsgerichtshof hat jedenfalls seine Zweifel.

Sindelfingen/Mannheim - Verkaufsoffene Sonntage verursachen landauf, landab immer wieder einmal Streit und juristische Auseinandersetzungen. Auch in Sindelfingen waren vor einem Jahr die Stadt und die Gewerkschaft Verdi uneins darüber, ob das traditionelle Kinderfest samt Hüpfburg und Riesenrutsche in der Innenstadt Ende Oktober ein ausreichender Grund für eine Ausnahme von der gesetzlichen Sonntagsruhe ist. Per Satzung hatte der Gemeinderat die Öffnung der Geschäfte bereits im Dezember 2015 für drei Feste genehmigt.

 

Die Richter des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim haben damals zwar einen Eilantrag von der Gewerkschaft gegen den Sonntag beim Kinderfest abgelehnt, weil die Vorbereitungen dafür schon so weit gediehen waren. Doch haben sie damals zugleich angekündigt, dass dies noch nicht das letzte Wort in der Sache sein muss. Bei der Verhandlung im Hauptsacheverfahren hatten am Donnerstag alle Beteiligten Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge ausführlich darzulegen: die Stadt, die Vertreter der Einzelhändler, die Gewerkschaft.

Richter wollen sich ein umfassendes Bild machen

„Wir wollen uns noch einmal ein Bild davon machen, wie das läuft, wie solche Feste geplant werden, welche Gesichtspunkte dabei eine Rolle spielen – von dem Wunsch nach einer Belebung der Innenstädte bis zu den Eventbedürfnissen der Bevölkerung“, erklärte die Vorsitzende Richterin des sechsten Senats. Unabhängig davon lasse allerdings das Ladenöffnungsgesetz den sonntäglichen Verkauf nur aus Anlass von örtlichen Festen, Märkten, Messen und ähnlichen Veranstaltungen zu – und das nur an höchstens drei Tagen im Jahr.

Zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts aus den Jahren 2009 und 2015 hätten zudem bekräftigt, dass solche Veranstaltungen im Interesse des Sonntagschutzes „die Ausnahme bleiben müssen“ und dass es einen „gebührenden Anlass“ für die Öffnung der Geschäfte geben müsse, sagte sie. Das Fest dürfe demnach „nicht etwa nur ein Anhängsel eines verkaufsoffenen Sonntags sein“. Dafür brauche es in der Satzung auch eine Prognose der zu erwartenden Besucherströme.

Hat es sich das Sindelfinger Rathaus zu leicht gemacht?

An dieser Stelle, das zeigte die Erörterung des Themas, hat man es sich im Sindelfinger Rathaus womöglich etwas zu leicht gemacht. „Wenn wir ein solches Fest veranstalten, ist die Stadt voll ohne Ende, da sind für die Zustimmung im Gemeinderat keine Prognosen erforderlich“, sagte die Vertreterin der Stadt Sindelfingen. Das wollte das Gericht so aber nicht ganz gelten lassen. „Was haben Sie für einen Grund, das nicht ernst zu nehmen – Sie müssen das doch prüfen“, staunte einer der Beisitzer des Senats. Man sei ja einig mit der Rechtsprechung, „dass das Fest keine reine Alibi-Veranstaltung für einen Sonntagsverkauf sein darf“, erklärte der Anwalt der Stadt. „Viel mehr darf man aber eigentlich nicht verlangen“, meinte er. Eine Prognose der Besucherströme und gar eine Differenzierung, wer wegen der Feste und wer zum Einkaufen komme, sei schlicht unmöglich, sagte er. Da allerdings widersprach der Verdi-Anwalt: „Das ist doch kein Zauberwerk, sie müssen doch nur angeben, wie viele Besucher, nach einer vorhandenen Zählung, an normalen Tagen in die Stadt kommen und mit wie vielen mehr sie bei dem Fest rechnen“, sagte er.

Händler: Einkaufssonntage sichern innerstädtische Standorte

Die drei Vertreter des Sindelfinger Einzelhandels ließen keinen Zweifel daran, dass sie sich auch künftig den einen oder anderen Einkaufssonntag wünschen. „Für uns ist das toll, weil ganze Familien kommen“, sagte ein Optiker. „Für uns ist das eine gute Möglichkeit, uns zu präsentieren, und eine Chance, um neue Kunden zu gewinnen“, erklärte ein Buchhändler. Auch angesichts des wachsenden Online-Handels sei der Sonntagsverkauf „ein wichtiger Mosaikstein“, um die innerstädtischen Standorte zu sichern und die Gemeinschaft der Händler zu stärken, sagte der Vertreter eines Sporthauses. Wann der VGH eine Entscheidung fällt, ist noch offen. Sie werde den Beteiligten schriftlich zugestellt, kündigte die Vorsitzende des Senats an.