Betreuer legen erstmals in der 40-jährigen Geschichte des Unternehmens die Arbeit nieder, weil die Geschäftsführung den Haustarifvertrag gekündigt hat.

Sindelfingen/Herrenberg - Der Sozialfrieden im Sozialunternehmen ist gestört: Zum allerersten Mal sind kürzlich Betreuer der Gemeinnützigen Werk- und Wohnstätten (GWW) in einen Warnstreik getreten. 50 bis 70 Beschäftigte in den Behindertenwerkstätten Herrenberg und Sindelfingen – je nach Standpunkt von Geschäftsleitung, Betriebsrat und Gewerkschaft liegen unterschiedliche Angaben vor – legten für anderthalb Stunden die Arbeit nieder. Der Grund: die Geschäftsführung der GWW hatte den Haustarifvertrag gekündigt. Die einjährigen Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi über einen neuen Haustarifvertrag führten zu keinem Ergebnis. Daraufhin brach die GWW-Geschäftsführerin Andrea Stratmann am 13. Januar die Verhandlungen ab.

 

Rund 700 Mitarbeiter sind es, die in den Werkstätten und Wohnheimen die behinderten Menschen betreuen und begleiten. Die Mitarbeiter mit Handicap hätten etwas irritiert auf den Streik ihrer Betreuer und Anleiter reagiert, sagt Steffen Müller, der Pressesprecher der GWW. „Aber wir haben den Leuten den Konflikt erklärt und dafür gesorgt, dass ausreichend Betreuer vor Ort waren“, sagt Steffen Müller.

Der Hauptstreitpunkt zwischen der GWW-Geschäftsführung und der Gewerkschaft: der Haustarifvertrag, der einige Berufsgruppen besser stellte als im Tarifvertrag des Öffentlichen Rechts (TVöD) festgelegt, war bisher automatisch an Lohnsteigerungen beim TVöD gekoppelt. Wenn also die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zwei Prozent mehr Lohn erhielten, galt das auch für die GWW-Mitarbeiter. „Die Schere zwischen unseren Angestellten und den Beschäftigten nach TVöD ging immer weiter auseinander“, sagt der GWW-Sprecher Müller. Das sei auf Dauer wirtschaftlich nicht zu tragen. Denn die nichtbehinderten Mitarbeiter würden aus dem Topf bezahlt, in den die Eingliederungshilfe der Städte und Kommunen für die Behinderten fließe. Und dieser Topf wachse nicht im gleichen Umfang wie die Tarifsteigerungen“, sagt Steffen Müller.

Dieses Argument will die Gewerkschaft nicht gelten lassen. „Wir haben von der GWW noch nichts von wirtschaftlichen Schwierigkeiten gehört.“ Ein weiterer Streitpunkt: „Die GWW wollte eine 40-Stunden-Woche für alle. Es gibt aber Mitarbeiter, die Verträge über 38,5 oder 39 Stunden haben“, sagt Christina Ernst.