Die Bahnhofstraße verband Sindelfingen früher auf schnurgeradem Wege mit dem Böblinger Bahnhof. Heute sind nur noch einige Abschnitte davon erhalten.

Böblingen - Wenn die Bahn nicht nach Sindelfingen (Kreis Böblingen) kommt, dann muss Sindelfingen eben zur Bahn kommen. Unter diesem Motto hätte die Errichtung der Bahnhofstraße einst stehen können. Denn nachdem Böblingen im Jahr 1879 den Vorzug und damit den Bahnhof bekommen hatte, wollten sich die Sindelfinger nicht abhängen lassen. Sie bauten eine Straße von ihrem Marktplatz bis zum Böblinger Bahnhof, rund zweieinhalb Kilometer lang und schnurgerade – die Bahnhofstraße. Sie verband nicht nur die Sindelfinger Bürger mit der Welt, an ihr siedelten sich auch zahlreiche Firmen an, die den direkten Zugang zum Schienenverkehr schätzten. Und so avancierte die Bahnhofstraße zu einer der wichtigsten Lebensadern der aufstrebenden Industriestadt.

 

Vielleicht ist es auch ihrer geschichtlichen Bedeutung geschuldet, dass sich Teile der Straße bis in die heutige Zeit erhalten haben. Auch im Jahr 1955, aus dem unsere historische Luftaufnahme stammt, ist sie am rechten Bildrand deutlich zu sehen. Schnurgerade wie eh und je führt sie vom Sindelfinger Stadtzentrum in Richtung Böblingen.

Weberei IC Leibfried ist noch zu sehen

An ihren Rändern hatten sich schon bald nach dem Bau die ersten Betriebe angesiedelt und Industrielle Villen errichtet. Einige wenige dieser Gebäude stehen noch heute, viele sind dem Wandel zum Opfer gefallen. Bekannte Namen aus dieser ersten Zeit sind beispielsweise die Maschinenfabrik Kabisch oder die Strumpffabrik Entreß. Auch die Weberei IC Leibfried hatte sich im Jahr 1885 als eine der ersten ihren Platz an der neuen Bahnhofstraße gesichert. Der Fabrikbau aus dem Jahr 1939, der an die reiche Geschichte Sindelfingens als Weberstadt erinnert, ist auf dem historischen Luftbild noch gut zu erkennen. Im Jahr 2009 wurde die lange den Anblick der Bahnhofstraße prägende Fabrik allerdings dicht gemacht, danach fiel sie Umbaumaßnahmen zu Opfer.

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Auch weite Teile der Bahnhofstraße sind heute aus dem Sindelfinger Stadtbild verschwunden, sagt Horst Zecha, der Leiter des Sindelfinger Kulturamts und ehemaliger Archivar. Ein Abschnitt wurde durch das Daimler-Werk überbaut, ein anderer in Tübinger Allee umbenannt, der Rest verschwand. Heute verbindet die Rudolf-Diesel-Straße die beiden Städte und führt auf einer Brücke über die Autobahn hinweg.

Für das Sterncenter mussten etliche Gebäude weichen

Auch das Areal links der Bahnhofstraße und unterhalb der Gartenstraße, wo heute das Stern Einkaufszentrum steht, sah in den 1950er Jahren noch anders aus. Viel Grün und freie Flächen prägten das Bild. „Die Gartenstraße trägt ihren Namen, weil sie ursprünglich hinter der letzten Häuserreihe lag“, erklärt Horst Zecha. Auch als sich Daimler im Jahr 1915 in Sindelfingen niederließ, wahrten die Stadtplaner eine Distanz zur Kernstadt, sodass die Gegend dazwischen lange Zeit nur locker bebaut war. Für das Sterncenter mussten in den 1990er Jahren etliche Gebäude weichen. Seitdem tummeln sich die Shoppingfreunde und Passagiere des vor dem Zentrum gelegenen Busbahnhofs in der einst idyllischen Gegend am Stadtrand.