Das Urteil steht noch aus. Doch der Verwaltungsrichter hat durchblicken lassen, dass ein verurteilter Terrorhelfer wohl ausgebürgert wird.

Sindelfingen - Sermet I. gegen das Land Baden-Württemberg: der 34-jährige gebürtige Sindelfinger klagt dagegen, dass das Landratsamt seine Einbürgerung rückgängig machen will. Schon rein optisch wird bei der gestrigen Verhandlung am Stuttgarter Verwaltungsgericht klar, wer die Trümpfe in der Hand hält: Vier Beamte vertreten das Land – zwei Mitarbeiter des Landratsamts, ein Vertreter des Regierungspräsidiums und einer des Integrationsministeriums. Auf der anderen Seite der Bank sitzt Sermet I. – allein.

 

Sein Anwalt aus Waldbronn ist erst gar nicht angereist, vermutlich weil Sermet I., der ohne Arbeit ist, ihn nicht bezahlen kann. Prozesskostenhilfe wurde ihm vom Verwaltungsgericht verwehrt – diese gibt es nur, wenn ein Fall Aussicht auf Erfolg hat. Den Fall Sermet I. schätzt der Richter Richard Haakh offenbar als aussichtslos ein.

Verfassungsschutz hatte keine Bedenken

Haakh rollt die ganze Geschichte auf: Sermet I., der 1978 als Sohn einer türkischstämmigen Familie in Sindelfingen geboren wurde, in Maichingen aufgewachsen ist und im Sindelfinger Mercedes-Werk eine Ausbildung zum Lackierer absolvierte, beantragte im Herbst des Jahres 2004 die Einbürgerung. Im September desselben Jahres gab er die erforderliche Loyalitätserklärung ab: Er spreche besser Deutsch als Türkisch, sei dem deutschen Lebensstil verbunden und bekenne sich auch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik. Anderthalb Jahre später – im März 2006 erhält der Mann vom Böblinger Landratsamt die Einbürgerungsurkunde. Zuvor hatte es die üblichen Sicherheitsüberprüfungen inklusive der Anfrage beim Verfassungsschutz gegeben. Sermet I. galt als unbescholten und politisch unauffällig.

Zu diesem Zeitpunkt jedoch war der Sindelfinger bereits als Helfer der Terrororganisation Al-Kaida tätig. Er war kein großes Licht, er übernahm Kurierdienste. Irgendwann im Frühjahr 2006 – also um den Zeitpunkt der Einbürgerung herum – übergab er einem Verbindungsmann der Al-Kaida verschiedene Geräte sowie Bargeld. So steht es im Urteil des Koblenzer Gerichts, das Sermet I. im Jahr 2010 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilte.

Auf dieses Urteil stützt sich der Verwaltungsrichter Haahk und lässt erkennen, dass er der Argumentation des Landratsamts folgen kann. Dieses sieht sich durch Sermet I. „arglistig getäuscht“. Während sein Einbürgerungsverfahren gelaufen sei, habe er sich terroristischen Organisationen zugewandt. Deshalb sei seine Einbürgerung rechtswidrig gewesen.

Zeitpunkt der Einbürgerung ist entscheidend

Sermet I. hingegen argumentiert, dass seine Radikalisierung erst Monate nach der Abgabe der Loyalitätserkrankung begonnen habe. Er habe erstmals im Sommer 2005 einen Vertreter von Al-Kaida getroffen. „Aber ich habe 2005 keine Gegenstände übergeben.“ Darauf komme es nicht an, erklärt der Richter. „Entscheidend ist nicht der Zeitpunkt, an dem Sie Ihre Loyalität erklärt haben, sondern der Zeitpunkt, an dem Sie Ihre Einbürgerungsurkunde erhielten. Und um diesen Termin herum haben Sie Kurierdienste für eine terroristische Organisation unternommen.“

Sermet I. ist eloquent, versucht das Urteil des Koblenzer Oberlandesgerichts, das ihn ins Gefängnis schickte , zu relativieren. „Ich habe damals keine Einlassungen gemacht. Das möchte ich heute nachholen.“ Doch Neues kann er nicht beisteuern.

Ein Urteil verkündet der Richter noch nicht, es ergeht in einigen Wochen schriftlich. Aber, das lässt er deutlich durchblicken: für ihn ist der Fall eigentlich klar. Sermet I. wird wohl staatenlos werden. Das ist bitter für den Mann, der bereits seinen Job bei Daimler wegen der Terroristenunterstützung verloren hat. Auch dagegen hatte er geklagt – und verloren.